Neurobiologie

Schönheit lässt sich am Gehirn ablesen

Hinweise auf universellen Code für ästhetische Attraktivität entdeckt

Ästhetik
Ob Architektur, Landschaft oder Kunst: Finden wir etwas schön, reagiert das sogenannte Default-Mode-Netzwerk in unserem Gehirn immer auf ähnliche Weise. © Marilyn Abigail Perkins

Ist das schön? Unsere individuelle Antwort auf diese Frage lässt sich offenbar am Gehirn ablesen. Denn wenn wir etwas ästhetisch ansprechend finden, reagiert ein bestimmtes Netzwerk unseres Denkorgans jedes Mal auf ähnliche Weise – unabhängig davon, ob wir ein Gemälde, eine Landschaft oder ein Gebäude betrachten. Dieses Hirnnetzwerk, das normalerweise unser Innenleben steuert, könnte demnach einen universellen Code für Schönheit enthalten.

Schönheit liegt im Auge des Betrachters, heißt es. Doch obwohl ästhetisches Empfinden eine hoch subjektive Angelegenheit ist, gibt es erstaunlich viele Dinge, die offenbar eine universelle Schönheit in sich tragen. So scheint es Naturlandschaften zu geben, die unabhängig von der jeweiligen Herkunft der Befragten als schön empfunden werden. Bei Gesichtern wirken häufig symmetrische oder dem Kindchenschema entsprechende Züge attraktiv – und sogar die Ästhetik mathematischer Gleichungen wird selbst von Laien oft ähnlich beurteilt.

Ob ein ästhetischer Reiz bei uns Wohlgefühl auslöst oder nicht, entscheidet sich dabei im Gehirn. Studien zeigen, dass gleich mehrere Netzwerke unseres Denkorgans reagieren, wenn wir etwas als schön wahrnehmen. Doch wie gut lässt sich unsere individuelle Bewertung eines Gemäldes, einer Landschaft oder eines Gebäudes an diesen Reaktionen ablesen?

Schön oder nicht?

Diese Frage haben sich nun Edward Vessel vom Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik in Frankfurt am Main und seine Kollegen gestellt. Für ihre Untersuchung zeigten die Wissenschaftler 16 Studienteilnehmern Bilder von Kunst, Architektur und Naturlandschaften, die diese hinsichtlich ihrer Schönheit beurteilen sollten. Dabei beobachteten die Forscher mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT), was im Gehirn der Probanden passierte.

Das Ergebnis: Die Hirnareale, die für die visuelle Verarbeitung zuständig sind, taugten als Hinweisgeber wenig. Denn deren Aktivitätsmuster waren von Fall zu Fall sehr unterschiedlich – und zwar auch bei den Bildern, die alle Betrachter übereinstimmend als ästhetisch ansprechend beurteilt hatten.

Netzwerk fürs Innenleben

Ganz anders war dies jedoch im sogenannten Default-Mode-Netzwerk. Dieses Netzwerk ist normalerweise inaktiv, wenn wir uns mit der Außenwelt beschäftigen – es feuert vor allem dann, wenn wir uns Tagträumen hingeben, geistig abschalten oder in leichtem Schlaf liegen. Doch kürzlich haben Forscher erste Hinweise darauf gefunden, dass dieses für unser Innenleben zuständige Hirnnetz auch bei als schön empfundenen Außenreizen anspringt.

Wie Vessel und seine Kollegen berichten, bestätigten ihre Untersuchungen diese Beobachtung: Im Default-Mode-Netzwerk führten die Bilder, die die Studienteilnehmer als schön bewertet hatten, zu bemerkenswert ähnlichen Aktivitätsmustern. Diese Reaktion war unabhängig davon, ob die Probanden Kunstwerke, Gebäude oder Landschaften betrachtet hatten.

Universeller Code?

Nach Ansicht der Wissenschaftler spricht dies dafür, dass das Default-Mode-Netzwerk eine Art universellen Code für ästhetische Attraktivität enthalten könnte. „Wir wissen noch nicht, ob es diesen Code selbst errechnet. Aber es hat eindeutig Zugang zu abstrakten Informationen darüber, ob wir eine Erfahrung visuell ansprechend finden oder nicht“, erklärt Vessel.

In einem nächsten Schritt will das Forscherteam nun untersuchen, ob sich die beobachteten Reaktionsmuster auch bei Musik oder Poesie zeigen. Kurzum: Reagiert unser Gehirn ähnlich, wenn wir ein Lied oder ein Gedicht schön finden? Die Erforschung dieser Frage könnte in Zukunft noch mehr Details darüber offenbaren, wie wir auf Schönheit reagieren – und damit über Erlebnisse, die überwältigend und manchmal sogar lebensverändernd sein können, wie die Wissenschaftler betonen. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2019; doi: 10.1073/pnas.1902650116)

Quelle: Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik/ New York University

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