Technik

Erster Flug mit Lilienthals Doppeldecker

Nachbau nach Originalplänen zeigt im Praxistest erstaunlich gute Flugeigenschaften

Lilienthal-Doppeldecker
Flug mit dem Nachbau von Lilienthals Doppeldecker im kalifornischen Monterey – der historische Gleiter fliegt überraschend gut. © DLR/ CC-by-sa 3.0

Praxistest bestanden: Ein originalgetreuer Nachbau des ersten Doppeldeckers der Welt ist zum ersten Mal geflogen – mit Bravour. Der doppelstöckige Gleiter war im Jahr 1895 von Flugpionier Otto Lilienthal entworfen und geflogen worden. Wie die Testflüge eines historisch korrekten Nachbaus nun belegen, war dieser Flugapparat schon erstaunlich ausgereift und gut zu fliegen. Diese Flugversuche belegen damit erneut, wie weit Lilienthal damals seiner Zeit voraus war.

Otto Lilienthal gilt einer der größten Flugpioniere der Geschichte. Seine Gleiter ebneten der Luftfahrt den Weg. Doch wie ausgereift diese Flugapparate tatsächlich waren, blieb lange umstritten – auch, weil ihr Konstrukteur bei einem Testflug tödlich verunglückte. Bereits 2016 bauten Forscher deshalb Lilienthals Normal-Segelapparat nach und testeten ihn im Windkanal – mit überraschend positiven Ergebnissen.

Lilienthal-Doppeldecker
Otto Lilienthal konstruierte seinen Großen Doppeldecker im Jahr 1895. © DLR /CC-by-sa 3.0

Zwei Gleiterflügel übereinander

Jetzt hat ein weiteres Fluggerät Lilienthals seinen Praxistest bestanden – der erste Doppeldecker der Welt. Otto Lilienthal konstruierte diesen Gleiter mit 6,60 Metern Spannweite im Jahr 1895, indem er seinen Eindecker-Gleiter um zwei kleinere, über den Hauptflügeln angebrachte Tragflächen erweiterte. Mit diesem Doppeldecker absolvierte der Flugpionier mehrere Segelflüge von bis zu 280 Metern Länge.

Diesen Gleiter hat nun ein Team von Luftfahrthistorikern und Forschern im Otto-Lilienthal-Museum in Anklam nach erhaltenen Plänen Lilienthals originalgetreu nachgebaut. Sie nutzen dafür nur die Materialien, die auch Lilienthal für seine Konstruktion nutzte, darunter Weidenruten, Hanfseil, Stoff und Stahldraht. Die Verspannung der Gleitflächen lässt sich mittels Spannschlössern justieren, die Lilienthals damals eigens für diesen Zweck entwickelt hatte.

Test am Strand von Monterey

Doch wie gut flog Lilienthals Doppeldecker? Um das herauszufinden, haben Markus Raffel vom Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und sein Team den Nachbau zunächst bei Schleppversuchen an einer Seilwinde getestet – mit durchaus ermutigenden Ergebnissen. Daher entschloss Raffel sich, den Doppeldecker nun auch selbst zu fliegen.

Als Testgebiet wählte das DLR-Team einen Strand an der kalifornischen Pazifikküste nahe der Stadt Monterey aus. Denn dort weht der Wind sehr konstant mit einer Geschwindigkeit von 18 bis 25 Kilometer pro Stunde vom Meer aufs Land – gute Bedingungen für einen Gegenwindstart. Erhöhte Dünen bieten zudem eine perfekte Startplattform. Auch historisch ist diese Gegend keineswegs abwegig: Lilienthal verkaufte seinen Doppeldecker damals an einen US-Amerikaner, der diesen in den USA flog.

„Gut steuerbar und ausgesprochen gutmütig“

Ende Juli 2019 war es soweit: Erstmals erhob sich ein Nachbau von Otto Lilienthals Doppeldecker in die Luft. Raffel und nach ihm der US-Fluglehrer Andrew Beem absolvierten mehrere Gleitflüge mit dem Nachbau – und waren begeistert: „Der sogenannte Große Doppeldecker ist bei schwierigen Windverhältnissen noch sicherer und besser zu fliegen als Lilienthals berühmter Eindecker“, sagt Raffel. „Er war vom ersten Flug an sehr gut steuerbar und flog ausgesprochen gutmütig.“

US-Pilot Beem konnte schon nach nur wenigen Flügen den Doppeldecker elegant starten, steuern und auf den Punkt genau landen. „Ein leichter Linksdrall, der während der ersten Flüge durch seitliche Gewichtsverlagerung ausgeglichen werden musste, konnte an den folgenden Tagen durch eine sorgfältigere Einstellung des Seitenleitwerks und der Streben des oberen Flügels abgestellt werden“, berichtet Raffel.

Aerodynamisch seiner Zeit voraus

Bei ihren Flügen mit dem Doppeldecker erreichten die beiden Testflieger Weiten von bis zu 100 Metern – mehr ging nicht, weil dann das Meer begann. Die Flughöhe wurde aus Sicherheitsgründen auf drei bis vier Meter begrenzt. Die Ergebnisse dieser Testflüge bestätigen, dass Lilienthal aerodynamisch seiner Zeit weit voraus war – nicht nur bei seinem Normal-Segelapparat, sondern auch bei seinem Großen Doppeldecker.

Nach Ansicht von Bernd Lukasch, Leiter des Otto-Lilienthal-Museums, hat der geniale Flugpionier´ damals drei wesentliche Leistungen vollbracht: Er löste das wissenschaftliche Rätsel des Auftriebs, er erstellte ein patentierbares Produkt und er brachte sich das Fliegen bei. Der historische Nachbau von Lilienthals Doppeldecker ist inzwischen wieder aus den USA zurückgekehrt und wird nun im Otto-Lilienthal-Museum Anklam seine Heimat finden.

Quelle: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

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