Fast makroskopisch: Forschern ist es erstmals gelungen, große Moleküle aus 2.000 Atomen in den Quantenzustand der Überlagerung zu bringen – ein neuer Rekord. Denn gemeinhin ist dieses Phänomen der Überlagerung zweier Zustände auf die Welt der kleinsten Teilchen beschränkt. Das aktuelle Experiment belegt nun, dass das Reich der Quantenphänomene ausgedehnter sein könnte als gedacht, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Physics“ berichten.
Bei der quantenphysikalischen Überlagerung kann ein Teilchen mehrere Quantenzustände gleichzeitig einnehmen – erst eine Messung beendet diese Superposition. Eine Analogie dazu ist das berühmte Gedankenexperiment von Schrödingers Katze, die in einem verschlossenen Kasten solange in einem Zustand zwischen Leben und Tod schwebt, bis man nachschaut. Solche Quantenüberlagerungen haben Physiker bei Photonen, Elektronen und sogar Molekülen aus bis zu 400 Atomen nachgewiesen.
Doch wo liegt die Maximalgröße für die Quantenüberlagerung? Gängiger Theorie nach bricht die Überlagerung bei makroskopischen Objekten zusammen, weil unter anderem die schwerkraftbedingte Zeitdehnung diesen Kohärenzzustand stört. Wie groß jedoch ein Objekt werden kann, bevor diese und andere Störfaktoren überwiegen, war bislang offen.
Interferenz als Überlagerungstest
Jetzt haben Yaakov Fein von der Universität Wien und seine Kollegen die bekannte Obergrenze für die Überlagerung weiter hinausgeschoben. Sie hatten getestet, ob auch Moleküle aus mehr als 2.000 Atomen noch das für die Überlagerung typische Wellenmuster der Interferenz zeigen. Während ein Interferenzmuster bei makroskopischen Wellen – beispielsweise im Wasser – durch das wellenförmige Verhalten vieler Moleküle gebildet wird, ist dies in der Quantenphysik anders.
Denn in der Überlagerung lässt sich ein Objekt über eine Wellenfunktion beschreiben. Und diese Wellennatur ermöglicht es, dass selbst ein einziges Molekül in einer Art Doppelspaltexperiment ein Interferenzmuster erzeugt – solange es im Zustand der Quantenüberlagerung ist.
Sieben Millisekunden der Überlagerung
Für ihr Experiment versahen die Forscher zunächst ringförmige Porphyrin-Moleküle mit bis zu 60 Seitenketten und erzeugten so Moleküle aus bis zu 2.000 Atomen und mit einer Masse von 25.000 Dalton. Diese Moleküle brachten die Forscher in einen Überlagerungszustand und formten daraus mithilfe einer speziellen Technik einen Molekülstrahl. Diesen speisten sie dann im Ultrahochvakuum in ein zwei Meter langes Interferometer ein.
Das Ergebnis: Trotz der Molekülgröße und der Manipulationen im Rahmen des Experiments trat eine Interferenz auf. „Unsere Ergebnisse zeigen eine exzellente Übereinstimmung mit der Quantentheorie und können nicht auf klassische Weise erklärt werden“, sagen Fein und seine Kollegen. Ihren Angaben nach müssen die Moleküle im Schnitt gut sieben Millisekunden in einer Überlagerung geblieben sein.
Grenze zur Makrowelt wird unschärfer
Damit haben die Physiker einen neuen Größenrekord der quantenphysikalischen Überlagerung aufgestellt. Das trägt dazu bei, verschiedene Theorien zur Quantenmechanik weiter einzugrenzen. Gleichzeitig werden damit nun die Grenzen zwischen der quanten- und der klassischen Welt immer unschärfer, wie die Forscher erklären.
„Unsere Experimente zeigen, dass die Quantenmechanik, bei all ihrer Verrücktheit, auch erstaunlich robust ist und ich bin optimistisch, dass zukünftige Experimente sie in noch größerem Maßstab testen werden“, sagt Fein. (Nature Physics, 2019; doi: 10.1038/s41567-019-0663-9)
Quelle: Universität Wien