Kometen in der Warteschleife: Eine Region knapp jenseits des Jupiter könnte Kometen den Weg ins innere Sonnensystem ebnen. Denn hier kreisen eisige Brocken aus dem äußeren Sonnensystem wie in einer Art Warteschleife, bevor sie von den Störeinflüssen der Jupiter-Schwerkraft weiter nach innen geschleudert werden. Zwei Drittel aller Kometen des inneren Sonnensystems könnten durch dieses Einfallstour gekommen sein, wie die Forscher berichten.
Viele Kometen und auch einige eisreichen Asteroiden des inneren Sonnensystems stammen ursprünglich aus dem Kuipergürtel – einer von unzähligen Zwergplaneten und anderen eisreichen Objekten bevölkerten Zone jenseits der Neptunbahn. Gängiger Theorie nach geraten dort durch Kollisionen oder auch Schwerkrafteinflüsse naher Sterne Brocken aus ihrer Bahn und gelangen so erst ins äußere, dann auch ins innere Sonnensystem.
Doch auf welcher Route schafft dieser Kometen-Nachschub den Übergang vom eisigen Außenseiter zum Kometen der Jupiter-Familie? Letztere umkreisen die Sonne in einer elliptischen Bahn, die nur bis zum Jupiter hinausreicht und sie auch in Erdnähe bringen kann. Zu ihnen gehört unter anderem der von den Raumsonden Rosetta und Philae besuchte Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko.
Zentauren als „Zwischenlager“?
Schon länger vermuten Astronomen, dass diese Kometen der Jupiter-Familie nicht direkt aus dem Kuipergürtel kommen, sondern aus einem etwas weiter innen liegenden Zwischen-Reservoir: den Zentauren. Diese bilden eine kurzlebige Population von eisigen Brocken, die zwischen dem Jupiter und Neptun um die Sonne kreisen. Weil sie dabei ständig dem Schwerkrafteinfluss der großen Planeten ausgesetzt sind, werden die meisten von ihnen schon nach rund einer Millionen Jahre wieder nach außen geschleudert.
„Aber rund ein Drittel der Zentauren bewegt sich durch die Region der Riesenplaneten hindurch und tritt in die Population der Jupiter-Familien-Kometen ein“, erklären Gal Sarid von der University of Central Florida und seine Kollegen. Wann und wie dies geschieht, haben die Astronomen nun herausgefunden. Für ihre Studie werteten sie Beobachtungsdaten mehrerer Zentauren aus und simulierten die Bahnentwicklung solcher Objekte mithilfe eines physikalischen Modells.
Orbit nahe der Jupiterbahn als Einfallstor
Dabei zeigte sich: Es gibt eine bestimmte Region direkt jenseits des Jupiter, die ein Einfallstor zum inneren Sonnensystem darstellt. Wenn ein eisiger Brocken aus der Zentauren-Population in diese Region gerät, steigt die Chance, dass er vom Einfluss der Riesenplaneten weiter nach innen geschleudert wird, wie die Forscher berichten. Dies geschieht innerhalb von nur wenigen tausend Jahren – und damit weit schneller als die Bahnveränderungen der restlichen Zentauren.
„Zentauren, die durch diese Region passieren, sind die Quelle für mehr als zwei Drittel aller Jupiter-Familie-Kometen“, berichtet Koautor Walter Harris von der University of Arizona. „Das macht dieses Gebiet zum primären Einfallstor, durch das diese Kometen hereinkommen.“
Auf dem Weg nach innen
Die Astronomen haben rund eine Handvoll von Objekten identifiziert, die zurzeit in dieser Einfallstor-Region kreisen. Sie befinden sich damit quasi in einer Warteschleife vor der Passage ins innere Sonnensystem. Der größte und aktivste dieser Zentauren ist 29P/Schwassmann-Wachmann 1 (SW1). Dieser gut 30 Kilometer große Brocken fiel schon früher durch abrupte Ausgasungen und seinen kometenähnlichen Halo auf – etwas, das sonst erst bei Kometen im inneren Sonnensystem auftritt.
„Unsere Daten zeigen, dass SW1 keineswegs ein merkwürdiger Ausreißer ist, sondern ein Zentaur, der gerade dabei ist, sich in einen Kometen der Jupiter-Familie zu entwickeln“, berichtet Koautorin Maria Womack vom Florida Space Institute. „Mehr als einer von fünf Zentauren, die wir verfolgt haben, entwickelt im Laufe der Zeit einen ähnlichen Orbit wie SW1.“
Nach Ansicht der Wissenschaftler liefert ihre Studie damit ganz neue Einblicke in die Entstehung und Entwicklung von Kometen. „Was wir entdeckt haben – das Modell eines Einfallstores für Kometen – wird die Art verändern, wie wir über die Geschichte der eisigen Himmelskörper denken“, sagt Sarid. (EPSC-DPS Joint Meeting 2019)
Quelle: Europlanet Media Centre