Medizin

Organe länger haltbar machen

Mediziner suchen nach Alternativen zur Kühlbox

Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit: Sobald ein Spenderorgan aus dem Körper eines Verstorbenen entnommen worden ist, muss es umgehend zum Empfänger transportiert werden. Denn außerhalb des Organismus ist das Gewebe von der Durchblutung und Sauerstoffversorgung abgeschnitten. Diese sogenannte Ischämiezeit ist kritisch, da sie die sensiblen Zellen und Strukturen empfindlich schädigen kann.

Stoppuhr
Eine Transplantation ist immer auch ein Wettlauf gegen die Zeit. © acilo/ iStock.com

Enges Zeitfenster

Im Schnitt bleiben nur neun Stunden, um entnommene Organe zum wartenden Patienten zu bringen – die maximale Haltbarkeit variiert je nach Organtyp allerdings erheblich. So müssen Herz und Lunge innerhalb von vier bis sechs Stunden transplantiert werden, die Niere hält dagegen bis zu 24 Stunden durch.

Diese Zeitfenster zu vergrößern, ist der Traum aller Transplantationsmediziner. „Eine längere Haltbarkeit bedeutet mehr Zeit für die Suche nach einem passenden Patienten und den Transport. Und das bedeutet, dass weniger Spenderorgane entsorgt werden müssen und mehr Patienten gut geeignete Organe erhalten, mit denen sie lange leben können“, erklärt Shannon Tessier von der Harvard Medical School in Boston.

Maschinelle Durchblutung

Forscher suchen daher schon länger nach Alternativen zum gängigen Transport bei vier Grad Celsius in der Kühlbox. Einer ihrer Ansätze: dem Organ vorgaukeln, dass es sich noch im Körper befindet. So werden Lebern und Co bei der sogenannten normothermen Maschinenperfusion (NMP) nicht etwa heruntergekühlt, sondern behalten Körpertemperatur. Ein Apparat versorgt die Organe dabei über Schläuche mit sauerstoffreichem Blut, Nährstoffen und speziellen Medikamenten.

Angeschlossen an diesen künstlichen Blutkreislauf funktionieren die Organe im Prinzip normal weiter. Erste größere Studien mit Leberpatienten legen nahe, dass das Gewebe die Zeit außerhalb des Körpers auf diese Weise deutlich länger und besser übersteht. Demnach gingen im Vergleich zum herkömmlichen Verfahren weniger Lebern verloren und die transplantierten Organe trugen nur halb so viele Schäden davon.

Eiskristalle
Genau das soll beim Supercooling verhindert werden: die Bildung von Eiskristallen. © Annick Monnier, CC-by-sa 3.0

Eiskalt konserviert

Ein ganz anderes Prinzip steckt hinter dem sogenannten Supercooling. Hierbei werden die Spenderorgane sogar noch stärker gekühlt als beim herkömmlichen Verfahren – nämlich auf Minustemperaturen. Der Clou dabei: Obwohl sie Temperaturen deutlich unter null Grad Celsius ausgesetzt sind, gefrieren die Organe nicht. Ein spezieller Cocktail aus Frostschutzmitteln verhindert, dass sich für das Gewebe schädliche Eiskristalle bilden.

Wissenschaftlern um Reinier de Vries von der Harvard Medical School in Boston ist es vor kurzem erstmals gelungen, mit dieser Methode menschliche Lebern zu konservieren. Bei minus vier Grad Celsius überlebten die Organe bis zu 27 Stunden außerhalb des Körpers – also dreimal länger als mit der gängigen Methode im Schnitt möglich ist.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Organtransplantation
Wie lässt sich die Chance auf ein zweites Leben verbessern?

Es begann mit einer Niere
Von der ersten Organtransplantation bis heute

Wenn ein Tod Weiterleben ermöglicht
Welche Voraussetzungen gelten für die Entnahme von Organen?

Das Problem mit der Abstoßung
Von Abwehrreaktionen und Immunsuppressiva

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Tiere als Organspender
Sind Xenotransplantationen die Lösung?

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