Chemie

Chemischer „Eintopf“ in der Ursuppe

Forscher finden gemeinsamen Reaktionsweg für alle vier Basen der ersten Erbmoleküle

Geysiortümpel
Entstanden die ersten Lebensmoleküle in flachen geothermalen Tümpeln? © Flicka/ CC-by-sa 3.0

Vier auf einen Streich: Forscher haben erstmals einen Weg gefunden, durch den alle vier Bausteine des Erbmoleküls RNA in der Ursuppe entstanden sein könnten – gemeinsam an einem Ort. Für diesen Reaktionsweg sind nur ein paar einfache Vorläufermoleküle nötig und eine Umgebung, die ab und zu trockenfällt. Dies stärkt die Annahme, dass die Wiege des Lebens nicht im Meer, sondern vielmehr in flachen Tümpeln lag.

Bisher ist noch immer unklar, wie und wo das erste Leben entstand und wie sich die dafür nötigen Biomoleküle bildeten. Viele Forscher gehen jedoch davon aus, dass die ersten Zellen statt DNA noch RNA als Erbmolekül nutzten, weil diese keine zusätzlichen Enzyme für die Replikation benötigt.

Das Problem jedoch: Die Basen der Erbmoleküle gehören zu zwei unterschiedlichen chemischen Klassen, den Purinen und Pyrimidinen. Zwar haben Wissenschaftler schon einige Reaktionswege gefunden, die zu jeweils einer der beiden Klassen führen. Doch sie erfordern jeweils unterschiedliche Bedingungen. Wie diese vier RNA-Bausteine daher gemeinsam an einem Ort entstanden sein sollen, blieb rätselhaft.

„Eintopf“ statt zweier getrennter Wege

Eine Lösung für dieses Problem könnten nun Sidney Becker von der Ludwig-Maximilians-Universität München und seine Kollegen gefunden haben. Denn sie haben einen Reaktionsweg entdeckt, durch den alle vier RNA-Basen gemeinsam gebildet werden können – quasi in einem molekularen „Eintopf“. Im Experiment entstanden unter Bedingungen, wie sie auf der Urerde vorkamen, sowohl Purin- als auch Pyrimidin-Basen, wie die Forscher berichten.

Ausgangsstoffe für diese Reaktionen waren vergleichsweise einfache Vorläufermoleküle wie Ammoniak, Harnstoff und Cyanoactylen. Letzteres ist ein Molekül, das auf der Urerde unter anderem bei Blitzschlägen in der Uratmosphäre, aber auch an hydrothermalen Quellen gebildet werden konnte. „Substanzen wie das Cyanoactylen gelten daher als plausible präbiotische Ausgangsmaterialien“, so Becker und seine Kollegen.

Wechsel von nass und trocken

Für die Reaktion zu den RNA-Basen benötigten diese Ausgangsstoffe nur die Gegenwart einiger mineralischer Salze sowie einen Wechsel von nassen und trockenen Phasen, wie die Forscher berichten. Dieser Wechsel sorgte dafür, dass sich bestimmte Reaktionsprodukte absetzten, andere dagegen konzentrierten und weiterreagierten. Gleichzeitig könnte dies auch einen reaktionsfördernden Wechsel zwischen sauren und alkalischen Bedingungen bewirkt haben.

Die Wissenschaftler betonen, wie vergleichsweise homogen die Reaktionsbedingungen für die einzelnen Schritte der Synthese seien. Es reichten schon geringe Fluktuationen physikalischer Parameter wie eine gelinde Erwärmung beziehungsweise Abkühlung oder der Wechsel zwischen einem leicht sauren und einem leicht basischen Reaktionsmilieu. Das ließe diese Reaktionskaskaden umso plausibler erscheinen, so Becker und seine Kollegen.

Flache Tümpel und heiße Quellen

Wo aber könnten diese Reaktionen abgelaufen sein? Die Forscher vermuten, dass die nötigen Bedingungen am ehesten an geothermalen Quellen wie beispielweise vulkanischen Geysiren geherrscht haben könnten. Auch flache warme Tümpel, die immer wieder austrockneten und dann erneut vollliefen, kämen als Wiege der Lebensmoleküle in Frage, so Becker und seine Kollegen.
Solche Tümpel gelten schon länger als mögliche Orte der Lebensentstehung.

Der große Vorteil: Sowohl die Ausgangsstoffe als auch die nötigen Bedingungen für diesen „Eintopf“ der Lebensmoleküle könnte es auf der Urerde häufig und in vielen Regionen gegeben haben. „Im Gegensatz zu Vulkanausbrüchen oder dem Einschlag von Meteoriten, die häufig als Triebkräfte der präbiotischen Reaktionen angeführt werden, wären nass-trocken-Zyklen regelmäßige Ereignisse auf allen Landflächen der frühen Erde“, schreiben Nicholas Hud und David Fialho vom Georgia Institute of Technologiy in einem begleitenden Kommentar.

Ein weiteres Plus: Selbst wenn die ersten Zellen nicht RNA, sondern doch schon DNA als Erbmoleküle nutzten, könnte die dafür nötigine Basen auf diesem Wege entstanden sein. „Der Reaktionsweg erlaubt die gemeinsmame Bildung aller Watson-Crick-Basen“, betonen Becker und seine Kollegen. (Science, 2019; doi: 10.1126/science.aax2747)

Quelle: Ludwig-Maximilians-Universität München, Science

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