Genetik

Hornlose Rinder dank Gentechnik

Zucht mit genetisch veränderten Tieren könnte Kälbern die Enthornungs-Prozedur ersparen

Hornlose Rinder
Ein Bulle mit Hörnern neben zwei hornlosen Nachkommen eines gentechnisch veränderten Vatertiers © Alison Van Eenennaam

Weniger Tierleid? Forscher haben Kälber ohne Hörner gezeugt. Die Tiere sind die Nachkommen eines gentechnisch veränderten Milchbullen, der ein hornlos machendes Allel in seinem Erbgut trägt. Diese bei einigen Rassen auch natürlich vorkommende Genvariante vererbte der Bulle erfolgreich an seinen gesamten Nachwuchs. Die Zucht mit solchen Tieren könnte eine Alternative zur umstrittenen Enthornung sein – eine für die Kälber schmerzhafte Prozedur, wie das Team erklärt.

Nur noch wenige Landwirte halten heutzutage Rinder mit Hörnern. Um die Verletzungs- und Unfallgefahr zu minimieren, werden die Tiere oftmals kurz nach der Geburt enthornt. Allein in Deutschland müssen jedes Jahr rund 1,4 Millionen Kälber diesen Eingriff über sich ergehen lassen. Das Problem: Trotz Betäubung und Schmerzmittelgabe ist die Enthornungs-Prozedur für die Kälber unangenehm. Studien deuten sogar darauf hin, dass die Tiere noch Monate später schon bei leichter Berührung Schmerzreaktionen zeigen.

Eine mit weniger Tierleid verbundene Alternative ist die Züchtung von Rindern, die bereits ohne Hornanlage auf die Welt kommen. Dies trifft zum Beispiel auf Rassen wie Angus und Galloway zu – bei ihnen sorgt eine genetische Veranlagung dafür, dass sie hornlos bleiben. Auch bei normalerweise behornten Rassen kommt es mutationsbedingt gelegentlich zur Geburt hornloser Kälber. Was wäre, wenn man für die Fleisch- und Milchproduktion genutzte Rassen gezielt mit diesen natürlich vorkommenden Genvarianten ausstattet?

Sechs Kälber ohne Hörner

Wie Amy Young von der University of California in Davis und ihre Kollegen berichten, ist genau dies bereits vor einigen Jahren gelungen: Mithilfe gentechnischer Verfahren erzeugten Forscher zwei Milchbullen, die in ihrem Erbgut zwei dominante Allele für Hornlosigkeit besitzen. Mit einem dieser Bullen hat Youngs Team nun ein erstes Zuchtexperiment gewagt: Die Wissenschaftler befruchteten weibliche Hereford-Rinder mit dem Samen des genveränderten Bullen. Als Folge dieser künstlichen Besamung wurden im September 2017 sechs Kälber geboren, ein Weibchen und fünf Männchen.

Wie würde sich der Nachwuchs entwickeln? Tatsächlich zeigte sich im Laufe der folgenden Monate, dass keines der Kälber Hörner ausbildete. Ansonsten schien der Nachwuchs normal zu wachsen und gesund zu sein, wie die Forscher berichten. Ein Blick ins Erbgut der Tiere bestätigte: Alle sechs Kälber hatten ein Hornlos-Allel von ihrem Vater geerbt.

(Fast) keine unerwünschten Veränderungen

Weitere Analysen zeigten, dass es ansonsten zu keinerlei unerwünschten genetischen Veränderungen gekommen war. Allerdings ließen sich bei vier der sechs Kälber Fragmente bakterieller DNA im Genom nachweisen – diese sogenannten Plasmide waren genutzt worden, um das Merkmal für Hornlosigkeit in den Bullen einzuschleusen. Wie Young und ihre Kollegen betonen, schadet die eingebaute Bakterien-DNA den Kälbern nicht. Für die etwaige Zulassung solcher Tiere für die Zucht und Lebensmittelproduktion sei Fremd-DNA im Erbgut jedoch problematisch.

Den Forschern zufolge lassen sich betroffene Kälber mithilfe von Screeningverfahren leicht identifizieren. Werden wie im aktuellen Fall Gentechnik-Verfahren genutzt, bei denen artfremde DNA zum Einsatz kommt, könnten für die Weiterzucht dann gezielt die hornlosen Tiere ausgewählt werden, die allein das natürlich vorkommende Allel geerbt haben.

Beitrag für das Tierwohl

„Die im Rahmen der Studie geborenen Kälber sind unseres Wissens nach die ersten Nachkommen eines gentechnisch veränderten Bullen“, erklären die Wissenschaftler. „Mit ihnen zeigen wir, dass gesunde hornlose Rinder mit der gewünschten Genveränderung gezeugt werden können“, konstatiert Youngs Kollegin Alison Van Eenennaam.

Nach Ansicht der Forscher könnte die Zucht mit genetisch veränderten Rindern in Zukunft daher eine schmerzfreie Alternative zur Enthornung sein und somit einen Beitrag für das Tierwohl leisten – vorausgesetzt, diese Tiere werden für die kommerzielle Nutzung zugelassen. (Nature Biotechnology, 2019; doi: 10.1038/s41587-019-0266-0)

Quelle: University of California – Davis

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