Gängige Computerprozessoren kommen aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften immer mehr an ihre Grenzen. Neuartige Materialien könnten hier Abhilfe schaffen. Ob und wie sich diese entwickeln lassen könnten, haben Physikerinnen und Physiker der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) untersucht. Mit Hilfe neuester Erkenntnisse aus der Spintronik haben sie hierfür ein Konzept entwickelt, überprüft und ein Patent angemeldet. Über die Forschung berichtet das Team im Fachjournal „ACS Applied Electronic Materials“.
Mit ihrem Konzept wollen die Forscher der MLU die Eigenschaften von Dioden und Transistoren verbessern. Gängige Prozessoren bestehen aus Tausenden Dioden und Transistoren, in denen Daten verarbeitet werden. „Die Energieeffizienz dieser einzelnen Bauteile bestimmt den Energieverbrauch des gesamten Prozessors“, sagt die Physikerin Prof. Dr. Ingrid Mertig von der MLU. Das größte Problem sei zudem immer noch der Energieverlust durch die Umwandlung von elektrischer Energie in Wärme, so die Forscherin weiter. Gleichzeitig muss bei der Entwicklung dieser Bauteile abgewogen werden: Entweder sind sie sehr leistungsfähig und energieeffizient, können dann aber nur für einen bestimmten Zweck verwendet werden. Oder sie sind vielseitig einsetzbar, erbringen dafür eine geringere Leistung und benötigen mehr Energie.
Das Forschungsteam der MLU ist für seine neue Entwicklung der Frage nachgegangen, ob sich mit Hilfe der Spintronik diese Probleme lösen lassen. Grundlage für die Forschung ist eine spezielle Eigenschaft von Elektronen: der Spin. Dabei handelt es sich um eine Art Eigendrehimpuls von Elektronen, der ein magnetisches Moment erzeugt und Ursache des Magnetismus ist. Die Forscherinnen und Forscher haben überprüft, ob und wie sich eine Diode oder ein Transistor entwickeln lassen, die neben der Ladung des Elektrons diesen Spin nutzen. Grundlage dafür sind neu entdeckte magnetische Materialien, die die Spininformation in besonderer Weise enthalten. Diese könnten in den neuartigen Bauteilen anstelle klassischer Halbleitermaterialien zum Einsatz kommen.
„Die neuen Transistoren, wie wir sie vorschlagen, verbinden Datenverarbeitung und -speicherung, sie verlieren dabei keine Energie und sie können problemlos neu konfiguriert werden“, fasst der Physiker Dr. Ersoy Sasioglu von der MLU zusammen. Das Konzept für diese Spintronik-Bauteile wurde bereits zum Patent angemeldet. Der Schwerpunkt der halleschen Gruppe lag zunächst darauf, das Materialdesign mit Hilfe theoretischer Simulationen vorzunehmen. In Kooperation mit experimentellen Physikern der Universität Bielefeld wollen die Wissenschaftler nun überprüfen, welche Materialien sich am besten für die Bauteile eignen könnten. (Applied Electronic Materials, 2019; doi: 10.1021/acsaelm.9b00318)