In noch einem anderen, mit der digitalen Revolution verbundenen Zusammenhang spielt die absolute Temperatur eine wichtige Rolle. Sie stellt nicht nur eine Beziehung zwischen der Energie und der Entropie eines Systems her, sie ist auch von essenzieller Bedeutung für die Verarbeitung
von Information.
Rechenzentren, Wärme und CO2
Eine der unausgesprochenen Voraussetzungen der Entwicklungen von CloudComputing, Industrie 4.0 und künstlicher Intelligenz ist die Annahme, dass sich Information unbegrenzt vermehren lässt und ohne weitere Einschränkungen prozessiert werden kann. Dem ist nicht so. Bereits jetzt sind – abhängig von der Art der Berechnung – Computersysteme, das Internet und die Vielzahl von CloudDiensten für fünf bis zehn Prozent des weltweiten Energieverbrauchs verantwortlich.
Bildlich gesprochen entsteht in irgendeinem Computerzentrum jedes Mal ein kleines CO2Wölkchen, wenn man bei Google für eine Suchanfrage die EnterTaste drückt. Der tiefere Grund hierfür liegt darin, dass jegliche Information im digitalen Zeitalter durch physikalische Systeme repräsentiert wird. Und die Vernichtung dieser Information erfordert ein durch die Temperatur des Systems festgelegtes Quantum an Energie. Konkret setzt der Rechner bei jedem Löschen eines Bits eine kleine Menge an Wärme und damit Energie frei.
Der Maxwellsche Dämon
Der amerikanische Physiker Rolf Landauer hat dies im Jahr 1961 in seinem mittlerweile berühmt gewordenen Prinzip formuliert und damit die Grundlage dafür gelegt, dass Information, Energie und Entropie auf derselben Ebene gedacht werden müssen. Diese Einsicht erlaubte dem amerikanischen Physiker Charles Bennett in den 1980erJahren den Exorzismus des „Maxwell’schen Dämons“.
Bei diesem Gedankenexperiment soll ein Wesen mit unbegrenzter Informationskapazität ein Gas ohne Arbeitsaufwand in einen kälteren und einen wärmeren Anteil teilen – beispielweise indem der Dämon die Gasteilchen über ein kleine Schwingtür zwischen zwei Behältern hin und her sortiert. Theoretisch könnte der dadurch entstehende Temperaturunterschied nun mithilfe einer Wärmekraftmaschine zur Energieerzeugung genutzt werden. Allerdings würde dies den Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik verletzen – es wäre ein Perpetuum Mobile.
Aus Landauers Prinzip folgt jedoch: Der Dämon würde für seine Sortierarbeit genau die Energie benötigen, die hinterher wieder gewonnen werden könnte. Denn er verändert den Informationsgehalt des Gases und das ist laut Landauer mit Energieaufwand verknüpft. Anders ausgedrückt: Die „Schwingtür“ zwischen den Beiden Gasbehältern schwingt bei jedem Durchschleusen eines Teilchens wieder zurück und lässt ein Gasteilchen in Gegenrichtung durch.
Das Limit ist absehbar
Eine für unsere Zeit wichtige Konsequenz ist, dass wir über Nachhaltigkeit in Bezug auf die endliche Ressource Information ähnlich nachdenken müssen, wie wir dies bereits für die Energieversorgung tun. Auch wenn der stetig zunehmende Energieverbrauch heutiger Computer noch weit von diesem LandauerLimit entfernt ist, ist bereits absehbar, dass diese Grenze in absehbarer Zukunft erreicht werden könnte. Daher werden bereits jetzt weltweit neue Wege der Informationsverarbeitung erforscht, die Energie effizienter nutzen.
Ein Beispiel für den schonenden Umgang mit Ressourcen bietet das Gehirn: Es benötigt für all die komplexen Aufgaben, die es zu bewältigen hat, weniger Energie als eine Glühbirne – oder 20 Smartphones. Einen radikalen Ansatz, Informationsverarbeitung neu zu konzipieren und zu realisieren, verwirklichen wir derzeit auf Basis der einmaligen Möglichkeiten, die Heidelberg bietet, im Rahmen eines weiteren „Comprehensive Projects“ innerhalb von STRUKTUREN.
Im Zentrum der Aktivitäten steht dabei die Kombination aus ultrakalten Quantensystemen – in denen Informationen reversibel und damit ohne Energieverlust verarbeitet werden können – mit neuronalen Netzwerken. Sie werden beispielsweise in der neuromorphen Plattform „BrainScaleS“ am „European Institute for Neuromorphic Computing“ in Heidelberg bereitgestellt, um die Topologie des Gehirns elektronisch nachzubilden. Und nicht zuletzt motiviert uns die Hoffnung, auf diese Weise der Natur das Geheimnis abzuringen, wie das Gehirn seine schier unglaublichen Leistungen vollbringen kann.
Autor: Matthias Weidemüller, Zentrum für Quantendynamik der Universität Heidelberg / Ruperto Carola