Materialforschung

Rätsel um harte Muschelschalen geknackt

Nano-Kompositstruktur macht Perlmutt besonders widerstandsfähig

Perlmutt
Das Innere mancher Muschelschalen besteht aus Perlmutt - warum ist dieses Material so hart? © LazingBee/ iStock.com

Außergewöhnlich hart: Forscher haben das Geheimnis um die Härte von Perlmutt gelüftet. Das aus Muschelschalen bekannte Material verdankt seine besondere Eigenschaft demnach einer speziellen Kompositstruktur auf der Nanoskala. Sie ermöglicht, dass sich Perlmutt bei Belastung komplex verformen kann. Dabei verhaken sich kleinste Kalk-Plättchen miteinander, sodass der Druck gleichmäßig verteilt wird. Schwindet die Belastung, springt die Struktur in ihre alte Form zurück – ohne an Festigkeit oder Elastizität zu verlieren.

Die Schalen mancher Schnecken und Muscheln fallen durch ihr schillerndes Perlmutt auf. Dieses Material ist nicht nur schön anzusehen: Forscher fasziniert Perlmutt seit jeher, weil es zu den härtesten und stabilsten Naturmaterialien der Welt gehört. Bekannt ist, dass Perlmutt aus mikroskopisch kleinen „Ziegelsteinen“ aus Kalk in Form von Aragonit und organischem Material besteht, das als eine Art Mörtel fungiert. Diese Anordnung sorgt zwar für eine gewisse Festigkeit – trotzdem ist Perlmutt weitaus widerstandsfähiger als seine einzelnen Komponenten vermuten lassen. Was ist sein Geheimnis?

Komplexe Verformung

Um das Rätsel um die Härte des Perlmutts zu lüften, haben Jiseok Gim von der University of Michigan in Ann Arbor und seine Kollegen das Material nun unter dem Elektronenmikroskop untersucht. Für ihre Experimente übten sie Druck auf Muschelschalen aus und beobachteten, was passierte. Es zeigte sich: Die Perlmuttstruktur verformte sich komplexer als gedacht.

„Zentral für die von uns beobachteten Eigenschaften ist eine Kompositstruktur auf der Nanoskala, die das keramische Material Kalk eng mit Proteinen und anderen organischen Bestandteilen verwebt. Das gelingt der Muschel, indem sie kleinste Kalkpartikel zu Plättchen zusammenlagert“, erklärt Mitautor Stephan Wolf von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

Plättchen verhaken sich

Das bedeutet: Bei den „Ziegelsteinen“ aus Aragonit handelt es sich tatsächlich um mehrseitige Plättchen-Strukturen, die nur wenige hundert Nanometer groß sind. Wie die Forscher berichten, bleiben diese Plättchen normalerweise getrennt in Schichten angeordnet. Dabei wirkt eine dünne Schicht organischen Mörtels als Polster.

Bei Belastung der Muschelschalen wird dieses Polster jedoch beiseite gequetscht, wie die Experimente offenbarten. Die Plättchen verhaken sich dann so sehr, dass sie die Belastung gemeinsam tragen und auf diese Weise nicht daran zerbrechen. Wird der Druck weggenommen, springt die Struktur in ihre alte Form zurück, ohne an Festigkeit oder Elastizität zu verlieren.

Vorbild für neue Materialien

Diese Eigenschaft ist außergewöhnlich: Selbst die fortschrittlichsten, von Menschen entworfenen Materialen verfügen nicht darüber. So können Kunststoffe beispielsweise durch einen Aufprall zurückspringen, sie verlieren jedoch jedes Mal an Festigkeit. Perlmutt hingegen büßte auch bei wiederholten Schlägen kaum etwas von seiner Widerstandsfähigkeit ein. „Es ist unglaublich, wie eine Muschel so ein komplexes Material generiert“, sagt Gims Kollege Robert Hovden.

Die Forscher hoffen, dass ihre neuen Einblicke in die Perlmuttstruktur den Weg für innovative Materialien ebnen. Keramische Stoffe nach dem Vorbild von Muschelschalen könnten demnach bruchfest sein und widerstandsfähig auf Belastungen reagieren – ein Merkmal, das zum Beispiel für Zahn- und Knochenimplantate oder andere Anwendungen in der Medizintechnik interessant ist. (Nature Communications, 2019; doi: 10.1038/s41467-019-12743-z)

Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

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