Eindringliche Warnung: Mehr als 11.000 Wissenschaftler haben eine Deklaration veröffentlicht, in der sie den globalen Klima-Notstand ausrufen. Demnach deuten alle Indikatoren darauf hin, dass die Klimakrise längst da ist – und schneller fortschreitet, als die meisten Forscher erwartet hätten. Dies bedrohe die natürlichen Ökosysteme und die Zukunft der Menschheit, so die Wissenschaftler. Sie benennen sechs Bereiche, in denen sofortiges Handeln nötig ist.
Vor 40 Jahren, im Februar 1979, fand in Genf die erste Weltklimakonferenz statt. Damals noch von der World Meteorological Organization veranstaltet, trafen sich dort erstmals Wissenschaftler aus aller Welt, um sich über beginnende Anzeichen eines Klimawandels auszutauschen. Schon damals kamen sie zu dem Schluss, dass die alarmierende Entwicklung dringend ein Handeln erfordern – doch der Appell verhallte weitgehend ungehört.
Inzwischen ist der Klimawandel längst Realität und seine Auswirkungen sind vielerorts spürbar – von zunehmenden Dürren, Hitzewellen, Starkregen und anderen Wetterextremen bis zu steigenden Meeresspiegeln, häufigeren Sturmfluten und schmelzenden Gletschern. Effektiv gehandelt wird jedoch noch immer nicht.
„Wir haben die moralische Verpflichtung, Klartext zu reden“
Angesichts dieser Situation schlagen nun Wissenschaftler Alarm: „Wissenschaftler haben eine moralische Verpflichtung, die Menschheit vor allen katastrophalen Bedrohungen zu warnen und dabei ‚Klartext zu reden'“, so Ripple von der Oregon State University und seine Mitverfasser. „Auf der Basis dieser Verpflichtung und der hier präsentierten Indikatoren deklarieren wir, mehr als 11.000 Wissenschaftler aus aller Welt, klar und unzweifelhaft, dass der Planet Erde vor einem Klima-Notfall steht.“
In ihrer Veröffentlichung listen die Wissenschaftler 15 menschliche Aktivitäten und ihre Veränderungen auf, die in den letzten 40 Jahren entscheidend zum Klimawandel beigetragen haben – und bei denen sich wenig zum Besseren gewandelt hat. Dazu gehören unter anderem Faktoren wie das Bevölkerungswachstum und der zunehmende Viehbestand, die Fleischproduktion, die Entwaldung, die CO2-Emission und der Verbrauch fossiler Brennstoffe.
„Die Klimakrise ist da“
„Trotz 40 Jahren der globalen Klimaverhandlungen haben wir – mit wenigen Ausnahmen – weitergemacht wie zuvor und sind das Problem nicht angegangen“, konstatieren Ripple und seine Kollegen. „Jetzt ist die Klimakrise da und schreitet schneller voran, als die meisten Wissenschaftler erwartet haben. Sie ist schwerwiegender als gedacht und bedroht natürliche Ökosysteme und die Zukunft der Menschheit.“
Besondere Sorgen bereiten den Forschern dabei die Kippelemente im Klimasystem – Klimafaktoren, die bei weiterer Erwärmung abrupt ihren Zustand wechseln und dann durch positive Rückkopplungen zu einer weiteren Eskalation des Klimawandels führen. „Dies könnte zu einer katastrophalen ‚Treibhaus-Erde‚ führen, die nicht mehr von Menschen kontrollierbar ist“, warnen Ripple und Kollegen.
Sechs Schritte für eine bessere Zukunft
Doch trotz aller Krisenrhetorik: Nach Ansicht der Forscher ist es noch nicht zu spät – wenn sofort und entschieden gehandelt wird. „Um eine nachhaltige Zukunft zu sichern, müssen wir unsere Lebensweise ändern“, konstatieren sie. „Wir brauchen mutige und drastische Transformationen in Wirtschaft und Politik.“ Sechs teils miteinander verknüpfte Schritte seien besonders nötig und dringend, um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels abzumildern.
Der erste Schritt ist eine weltweite Energiewende, kombiniert mit natürlichen und technischen Maßnahmen zur CO2-Abscheidung aus Luft und Abgasen. „Wir müssen die verbleibenden Vorräte an fossilen Energien im Boden lassen“, appellieren Ripple und seine Kollegen. Dabei seien reiche Länder in der Pflicht, ärmeren zu helfen. Die zweite Maßnahme ist eine Reduktion von kurzlebigeren Treibhausgasen wie Methan, Ruß und Fluorkohlenwasserstoffen.
Naturerhalt, Ernährung und ein geänderter Fokus der Wirtschaft
Eine weitere notwendige Maßnahme ist den Wissenschaftlern zufolge der Erhalt der Natur und insbesondere natürlicher Puffersysteme wie der Wälder. „Marine und terrestrische Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen spielen eine signifikante Rolle für die Kohlenstoff- und Nährstoffzirkulation und -speicherung“, erklären Ripple und KoIlegen. Entsprechend wichtig sei es, die Entwaldung und nicht-nachhaltige Bodennutzung zu stoppen und, wo möglich, aufzuforsten.
Ebenfalls Handlungsbedarf besteht bei der Lebensmittelproduktion. Wie kürzlich schon der Weltklimarat IPCC in seinem Bericht zur Landnutzung, plädieren die Forscher für eine weniger fleischlastige, stärker pflanzenbasierte Ernährung und eine stringente Vermeidung von Lebensmittelverschwendung. Damit verknüpft ist der nächste Schritt, die Veränderung der Wirtschaft – weg von einer Übernutzung von Ressourcen und Ökosystemen für ein Wachstum um jeden Preis hin zu einem Fokus auf Nachhaltigkeit und der Deckung der Grundbedürfnisse für alle, so die Wissenschaftler.
Als sechste Maßnahme nennen Ripple und seine Kollegen eine Eindämmung des Bevölkerungswachstums: „Noch immer wächst die Menschheit um rund 80 Millionen Menschen pro Jahr – mehr als 200.000 pro Tag“, erklären sie. Für eine nachhaltige Zukunft sei es aber nötig, die Weltbevölkerung auf einem Stand zu stabilisieren – innerhalb eines sozial verträglichen und gerechten Handlungsrahmens.
Ermutigende Anfänge
Die Forscher räumen ein, dass diese Schritte eine tiefgreifende Umwandlung der bestehenden Verhältnisse und Gewohnheiten erfordern. „Wir müssen verändern, wie unsere Gesellschaft funktioniert und wie sie mit der Natur wechselwirkt“, konstatieren sie. „Die gute Nachricht ist aber, dass eine solche sozial und ökonomisch gerechte Transformation ein weit größeres Wohlergehen für die Menschheit verspricht als das Weiter-Wie-Bisher.“
Die Allianz weltweiter Wissenschaftler stehe bereit, um bei der Entscheidungsfindung und dem Wandel zu helfen. „Wir sind ermutigt durch die jüngste Welle der Aktionen: Regierungen erklären den Klimanotstand, Schulkinder streiken und Umwelt-Klagen erreichen die Gerichte“, sagen Ripple und seine Mitverfasser. Jetzt sei es nötig, dass auch Politiker, Entscheider und die gesamte Menschheit auf die Klimakrise reagieren. (Bioscience, 2019; doi: 10.1093/biosci/biz088)
Quelle: Oregon State University, University of Sydney