Getreide in Gefahr: Der Klimawandel könnte die Reisernten bis Ende des Jahrhunderts um 40 Prozent schrumpfen lassen. Denn er schadet der Nutzpflanze auf gleich doppelte Weise, wie eine Studie zeigt. So gehen schon allein durch die Erwärmung die Erträge des Getreides zurück. Zusätzlich nehmen die Pflanzen aber auch mehr Arsen auf. Dieses ist giftig und beeinträchtigt die Bildung der Reiskörner – das mindert den Ertrag zusätzlich.
Reis stellt für mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung das wichtigste Grundnahrungsmittel dar. Global gesehen liefert dieses Getreide die meisten Kalorien pro Kopf und Tag. Doch wie viele andere Nutzpflanzen auch gerät der Reis durch die Erderwärmung zunehmend in Bedrängnis: Prognosen gehen davon aus, dass steigende Temperaturen, Wasserknappheit und erhöhte CO2-Werte die Ernteerträge um rund 15 Prozent mindern könnten. Zudem scheint der Gehalt von wertvollen Inhaltsstoffen wie Proteinen und Vitaminen im Reis durch den Klimawandel zu sinken.
Die Rolle des Arsens
Weitgehend unbeachtet blieb bisher ein weiterer potenzieller Effekt: Reis kann anorganisches Arsen aus Wasser und Böden aufnehmen. Weil steigende Temperaturen und Kohlendioxidgehalte die biogeochemischen Prozesse im Boden beeinflussen, könnte auch die Belastung mit diesem giftigen Element in Zukunft zunehmen. Doch mit welchen Folgen? „Welchen Einfluss der kombinierte Stress durch Klimaveränderungen und Arsen im Boden auf die Reiserträge hat, ist bisher eine ernsthafte Wissenslücke“, konstatieren Eva Marie Muehe von der Universität Tübingen und ihre Kollegen.
Um mehr darüber herauszufinden, haben die Wissenschaftler nun Experimente mit der kalifornischen Reisvariante Oryza sativa M206 durchgeführt. Für ihre Studie ließen sie das Getreide in Gewächshäusern unter unterschiedlichen Bedingungen wachsen. Dabei variierten sie neben dem Arsengehalt im Boden die Temperatur und die CO2-Konzentration in der Luft: Einmal war der Reis 33 Grad Celsius und 415 ppmv CO2 und damit für Kalifornien und viele asiatische Anbauregionen heute typischen Bedingungen ausgesetzt. Im zweiten Klimaszenario herrschten dagegen 38 Grad Celsius und CO2-Werte von 850 ppmv. „Das gilt als das wahrscheinlichste Szenario für das Ende des Jahrhunderts“, erklärt Muehes Team.
Ertrag verringert sich weiter
Wie würden die Erträge ausfallen? Die Ergebnisse offenbarten: Allein die simulierte Klimaerwärmung führte bei dem Reis zu Ernteverlusten von 16 Prozent. Daneben zeichnete sich jedoch eine weitere folgenschwere Entwicklung ab: Durch den Temperaturanstieg von fünf Grad Celsius verdoppelte sich zusätzlich die Konzentration von anorganischem Arsen in den Reiskörnern – das galt für jeden der getesteten Arsengehalte im Boden. „Wir haben festgestellt, dass das Arsen aus dem Boden bei höheren Temperaturen und höherem Kohlendioxidgehalt der Luft verstärkt von den Reispflanzen aufgenommen wird“, berichtet Muehe.
Das Problem: Arsen ist nicht nur giftig für den Menschen und kann bei langfristiger Aufnahme schon in geringen Mengen Krebs, Hautveränderungen, Gefäß- und Nervenschädigungen sowie Herzkreislauferkrankungen fördern. Das Halbmetall beeinträchtigt auch die Bildung der Reiskörner. Dadurch verringerte sich der durch die Klimaerwärmung bereits verminderte Ertrag weiter, wie die Experimente zeigten. „Wenn wir die erhöhte Verfügbarkeit von Arsen im Boden mit einbeziehen, kommen wir auf einen Ertragsverlust von insgesamt 42 Prozent“, sagt Muehe.
„Unvorhergesehene Verluste“
Gelten diese Beobachtungen auch für andere Reisvarianten, bedeutet das: Die Reisproduktion könnte bis zum Ende dieses Jahrhunderts um bis zu circa 40 Prozent zurückgehen – und damit viel geringer ausfallen als bisher angenommen. Zusätzlich könnte das Getreide deutlich über die heutigen EU-Grenzwerte hinaus mit Arsen belastet sein. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass es zu bisher unvorhergesehenen Verlusten sowohl in der Reisproduktion als auch bei der Qualität kommt“, konstatieren die Forscher.
„Dies hat eine immense Bedeutung für die Einschätzung der Ernährungssicherheit großer Teile der Weltbevölkerung“, betont Muehe. In Zukunft will die Wissenschaftlerin die Prognosemodelle zur Reisproduktion in Zusammenarbeit mit anderen Forschungsteams weiter verbessern. (Nature Communications, 2019; doi: 10.1038/s41467-019-12946-4)
Quelle: Eberhard Karls Universität Tübingen