Astronomie

Das All im Computer

Detailreichste kosmologische Großsimulation zeigt Galaxienentwicklung seit dem Urknall

Illustris TNG50
Drei von 20.000 Galaxien, deren Verhalten und Entwicklung die neue Großsimulation TNG50 jetzt im Detail zeigt. Hier sind die Galaxien im Licht heißen Wasserstoffgases zu sehen. © TNG50

Neue Einblicke: Eine neue Simulation zeigt den Kosmos und seine Entwicklung in großem Maßstab und trotzdem detailreich – eine zuvor unerreichte Kombination. In einem All-Ausschnitt von 230 Millionen Lichtjahren Größe rekonstruiert die TNG50-Simulation die Entwicklung von Galaxien, den Strom kosmischer Gase und sie erklärt, warum die Milchstraße so wurde wie sie ist. Zur Überraschung der Astronomen traten dabei auch unerwartete, nicht programmierte Effekte auf.

Um zu verstehen, wie sich das Universum und seine Strukturen entwickelt haben, nutzen Astronomen oft Simulationen. Denn diese erlauben es ihnen, die Prozesse hinter den beobachteten Phänomenen zu verstehen – ob bei der Kollision von Sternen, der Verzerrung des Raumes durch ein Schwarzes Loch oder aber der Entstehung der Galaxien. Allerdings gibt es dabei ein Problem: Wegen der begrenzten Rechenleistung zeigen typische Simulationen entweder einen kleinen Ausschnitt sehr detailgetreu, oder sie umfassen einen großen virtuellem Raum in deutlich gröberer Auflösung – was die Aussagekraft mindert.

Illustris TNG50
Die Simulation zeigt die großräumige Struktur des Kosmos, erlaubt es aber auch, bs auf Galaxienebene hereinzuzoomen. © TNG50

230 Millionen Lichtjahre großer Würfel

Doch es geht auch anders: Im Projekt Illustris TNG50 haben Wissenschaftler eine kosmologische Simulation entwickelt, die beide Faktoren vereint – sie ist großräumig und detailreich zugleich. Der virtuelle Kosmos umfasst einen würfelförmigen Ausschnitt des Weltalls von 230 Millionen Lichtjahren Kantenlänge. In diesem Raum bildet TNG50 Prozesse ab, die in millionenmal kleinerem Maßstab stattfinden. Insgesamt umfasst die Simulation rund 20.000 Galaxien.

Bausteine dieser Simulation sind 20 Milliarden virtuelle Teilchen, die unter anderem Dunkle Materie, Sterne, kosmisches Gas, Magnetfelder und supermassereiche schwarze Löcher darstellen. Mit ihnen rekonstruieren die Astronomen die 13,8 Milliarden Jahre lange Entwicklung des Kosmos – sowohl auf der Ebene der Großstrukturen wie auch der lokalen Gasströme in einzelnen Galaxien. Für das Berechnen dieser Ereignisse benötigten 16.000 Rechnerkerne rund ein Jahr. TNG50 ist damit eine der anspruchsvollsten astrophysikalischen Simulationen überhaupt, wie die Wissenschaftler erklären.

Wie die Milchstraße ihre dünne Scheibe bekam

Jetzt ist der virtuelle Kosmos fertig und liefert teils überraschende Einblicke – unter anderem über die Entwicklung unserer Milchstraße. Für sie und andere Spiralgalaxien wie Andromeda oder M51 ist typisch, dass Sterne und Gas sich in einer relativ dünnen Scheibe konzentrieren, der galaktischen Ebene. Unklar ist jedoch, wann und wie sich diese dünne Scheibenform herausbildet und ob es sie auch schon bei frühen Galaxien gab.

Die TNG50-Simulation zeigt nun, dass vor allem die Sternbildung die Form der Galaxien prägt: Wenn neue Sterne entstehen, schwenken sie auf Kreisbahnen um den Galaxienkern ein. Ihre Kreisbewegung wiederum beruhigt die zuvor chaotischen Gasströme und bringt auch sie im Laufe der Zeit dazu, dem galaktischen „Karussell“ zu folgen. „TNG50 zeigt, dass sich unsere eigene Milchstraßengalaxie mit ihrer dünnen Scheibe voll im Trend befindet“, sagt Annalisa Pillepich vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. „Das nur ein paar Milliarden Jahre alte Universum war viel chaotischer als heute.“

Gasströme
Diese Momentaufnahmen aus der Simulation zeigen Geschwindigkeit, Temperatur, Dichte und Elementhäufigkeit von Gasströmen, die aus Galaxien herausströmen. © Burke et al. /PNAS

Sterne ordnen chaotische Gase

Und noch ein zweites, unerwartetes Phänomen enthüllte die TNG50-Simulation: Wenn Supernovae und Ausbrüche der zentralen Schwarzen Löcher große Gaswolken aus den Galaxien schleudern, dann fliegen diese anfangs in beliebige Richtungen. Später jedoch ordnen sich diese Gasströme zu einer geordneten Struktur. Ihr Ausstrom ähnelt dann zwei Eistüten, die Spitze an Spitze positioniert sind, mit der Galaxie in der Mitte.

Das Überraschende daran: Diese Entwicklung hatten die Forscher nicht vorab einprogrammiert und auch nicht erwartet. „Diese Phänomene ergeben sich auf natürliche Weise aus dem Zusammenspiel der grundlegenden physikalischen Bestandteile unseres Modelluniversums“, erklärt Dylan Nelson vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching. „Numerische Experimente dieser Art sind besonders erfolgreich, wenn mehr herauskommt, als man hineingesteckt hat.“

Noch sind diese beiden Beobachtungen erst der Anfang, denn die Astronomen und Astrophysiker haben erst damit begonnen, die Ergebnisse der TNG50-Simulation auszuwerten. Demnächst sollen die Simulationsdaten komplett veröffentlicht und so auch anderen Forschergruppen zur Verfügung gestellt werden.

Quelle: Max-Planck-Institut für Astronomie

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