Unter 90 ist Schluss: Physiker haben herausgefunden, aus wie vielen Wassermolekülen der kleinstmögliche Eiskristall besteht. Demnach kann Wassereis sich nur dann bilden, wenn sich mindestens 90 Wassermoleküle zusammenlagern, wie das Experiment ergab. Doch selbst dann oszillieren solche Mini-Eiskristalle noch zwischen flüssig und kristallin hin und her, wie die Forscher berichten.
Wasser ist zwar allgegenwärtig, gleichzeitig aber auch ein ziemlich exotischer und in vielem noch rätselhafter Stoff – angefangen von seiner Dichteanomalie über „klumpige“ Strukturen bis hin zu zwei Varianten des flüssigen Wassers. Ähnlich vielseitig und ungewöhnlich ist seine kristalline Form – das Wassereis. Denn je nach Druck und Temperatur kann das Eis mindestens 17 verschiedene Kristallstrukturen annehmen, darunter der sechseckige, „normale“ Eiskristall, quadratische Gitter und sogar käfigförmige Kristalle.
Minitröpfchen im Gefriertest
Doch ab welcher Wassermenge kann sich ein Eiskristall bilden? Bisher konnten Forscher nur grob schätzen, wie viele Wassermoleküle für ein stabiles Gitter nötig sind. Deshalb haben Daniel Moberg von der University of California in San Diego und seine Kollegen dies nun in einem Experiment näher untersucht. Dafür ließen sie verschiedene winzige Wassermengen gefrieren und beobachteten dabei die Struktur dieser Molekülansammlungen unter anderem mithilfe eines Infrarot-Spektrometers.
Das Ergebnis: „Die kleinsten Wasser-Cluster, die noch Eis bilden können, enthalten nur rund 90 Wassermoleküle“, berichten die Forscher. Sind es weniger Moleküle, kommt die typisch geordnete Struktur der Eiskristalle nicht zustande oder löst sich direkt wieder auf. Damit ist nun die Mindestgröße für normales Wassereis erstmals genauer bestimmt.
Oszillation zwischen amorph und kristallin
Doch die Experimente enthüllten noch etwas: Umfassen die Eiskristalle nur 90 bis 150 Wassermoleküle, sind sie nicht dauerhaft gefroren, sondern wechseln dynamisch ihren Zustand. Teile des Wasserclusters oszillieren ständig zwischen der flüssigen und kristallinen Struktur hin und her. „Diese Transition in diesen winzigen Tröpfchen unterscheidet sich stark vom makroskopischen Wasser und unserer Alltagserfahrung“, erklären die Forscher.
Denn bei größeren Wassermengen wie einem Eiswürfel klar sind Eis und Wasser klar abgegrenzte Zustände – das Wasser ist entweder kristallin oder amorph. Im Mikromaßstab jedoch verschwimmt diese klare Grenze, weil wechselnde Teile des Clusters mal flüssig, mal fest sind. „Die Koexistenz der Aggregatszustände flüssig und fest durch Oszillationen einzelner Partikel ist ein seit den 1980er Jahren theoretisch vorhergesagtes Phänomen, das aber schwer experimentell nachzuweisen ist“, erläutert Seniorautor Thomas Zeuch von der Universität Göttingen.
Die aktuelle Studie legt nun nahe, dass solche Oszillationen kleinster Wasserkristalle sogar in Hohlräumen von Proteinen und anderen Materialien auftreten können. Dies wiederum ist relevant für biologische Prozesse. (Proceedings of the National Academy of Science, 2019; doi: 10.1073/pnas.1914254116)
Quelle: Georg-August-Universität Göttingen