In jüngster Zeit hat die Idee der kosmischen Wurmlöcher eine kleine Renaissance erlebt. Denn eine Reihe von Forschern haben sich die Machbarkeit dieser Phänomene aus einem ganz neuen Blickwinkel angeschaut – als eine Variante der „spukhaften Fernwirkung“, wie Albert Einstein es nannte.
Verschränkung in kosmischem Maßstab?
Anders ausgedrückt: Einige Physiker sind der Ansicht, dass Wurmlöcher nichts anders sind als eine quantenphysikalische Verschränkung. Bei dieser sind zwei Teilchen so miteinander gekoppelt, dass die Zustandsänderung des einen instantan auch den Zustand des anderen beeinflusst. Die quantenphysikalische Besonderheit liegt darin, dass diese Verschränkung unabhängig von der Entfernung beider Partner wirkt – beide Partner reagieren zeitgleich, selbst wenn sie hunderte von Kilometern voneinander entfernt sind. Bei Photonen kann diese Verschränkung sogar über Millionen Kilometer existieren.
Das aber bedeutet, dass die Verschränkung und die damit verbundenen Zustandsänderungen im Prinzip sogar schneller als das Licht wirken können – und damit gegen die Regeln der klassischen Physik und das Prinzip der Lokalität verstoßen. Einstein und seine Kollegen Boris Podolsky und Nathan Rosen beschrieben diesen Verstoß schon 1935 in einem Artikel, deshalb wird diese „Nebenwirkung“ der Verschränkung heute als Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon (EPR) bezeichnet.
ER = EPR?
Das Spannende daran: Diese quantenphysikalische Verschränkung könnte auch passierbare Wurmlöcher ermöglichen – ganz ohne exotische negative Materie oder negative Energie. Ein Wurmloch könnte demzufolge entstehen, wenn zwei Positionen der Raumzeit, beispielsweise zwei Schwarze Löcher, miteinander verschränkt sind. Die „Abkürzung“ durch die Raumzeit wäre demnach nichts anders als die aus der Quantenphysik bekannte „spukhafte Fernwirkung.
Im Physikerjargon ist diese ziemlich revolutionäre Sichtweise seither unter dem Kürzel „ER = EPR“ bekannt – die Einstein-Rosen-Brücke entspricht der nichtlokalen Fernwirkung des Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxons. Inzwischen haben mehrere Forschergruppen diese 2013 erstmals vorgestellte Idee aufgegriffen und erweitert, darunter auch Physiker um Daniel Jafferis von der Harvard University.
Die Forscher haben in ihrer 2017 veröffentlichten Studie mathematisch überprüft, ob ein solches EPR-Wurmloch im Gegensatz zur klassischen Einstein-Rosen-Brücke passierbar wäre. Dabei kommen sie zu dem Schluss, dass dies bei einem Wurmloch aus zwei miteinander verschränkten Schwarzen Löchern durchaus der Fall sein könnte. „Wir finden einen Stresstensor mit negativer mittlerer Null-Energie, dessen gravitative Rückstreuung die Einstein-Rosen-Brücke passierbar macht“, berichten Jafferis und seine Kollegen.
„Teleportation“ durchs Wurmloch
Mit anderen Worten: Die Verschränkung bestimmter Regionen am Ereignishorizont erzeugt eine Interaktion, die zumindest theoretisch einen Weg zwischen beiden Enden des Wurmlochs eröffnet und gleichzeitig die Eingänge offenhält. Astronauten, die an beiden Enden dieses Wurmlochs gleichzeitig hineinfliegen, könnten sich dadurch beispielsweise in der Mitte treffen – und ihr Treffen wäre sogar von den Eingängen aus sichtbar, wie die Physiker erklären. „Von außen betrachtet entspräche die Reise durch ein solches Wurmloch einer Quanten-Teleportation – nur mit Schwarzen Löchern statt mit Teilchen“, sagt Jafferis.
Allerdings könnte diese „Teleportation“ deutlich langsamer vonstattengehen, als es die Science-Fiction nahelegt, wie der Forscher erklärt. Denn die physikalischen Gesetze erfordern, dass alles, was durch ein solches Wurmloch hindurchgeht, einer Art zeitlicher Verzögerung unterliegt. Der Weg durch das Wurmloch darf nicht kürzer dauern als der direkte Weg durch die normale Raumzeit. „Solche Wurmlöcher erlauben es daher nicht, Distanzen im All mit Überlichttempo zu überwinden“, betonen Jafferis und seine Kollegen.
„Man bräuchte schon Magie“
Doch auch für diese EPR-Wurmlöcher gilt: Sie sind bisher reine Theorie. Ob es sie gibt und ob solche Gebilde tatsächlich eine passierbare Abkürzung durch die Raumzeit wären, bleibt daher weiterhin offen. Dennoch schließen zumindest einige Physiker nicht aus, dass die Science-Fiction auch in diesem Punkt eines Tags Wirklichkeit werden könnte.
Andere sind da allerdings deutlich skeptischer: „Selbst wenn Wurmlöcher jemals entdeckt werden sollten, werden sie nicht so aussehen, wie sie sich die Science-Fiction vorstellt“ sagt Dejan Stojkovic von der University of Buffalo. „Um ein stabiles Wurmloch zu erzeugen, bräuchte man schon Magie.“