Überraschend vielseitig: Mithilfe von Daten der Raumsonde Cassini haben Forscher erstmals eine globale geologische Karte des Saturnmonds Titan erstellt. Sie enthüllt, dass der Mond von sechs ganz verschiedenen Landschaften geprägt wird: Ebenen, Dünen und Seegebieten aus primär organischen Materialien, jungen Kratern, sowie alten, eishaltigen Hügellandschaften und Gebirgen. Auch die geografische Verteilung dieser Landschaften wird erstmals deutlich.
Der Saturnmond Titan ist einerseits verblüffend erdähnlich, andererseits jedoch faszinierend fremdartig. Denn er besitzt zwar Berge, Seen, Flüsse, Karstlandschaften und sogar Wolken und Stürme wie die Erde. Doch statt Wasser regnet es auf dem Saturnmond flüssiges Methan und Ethan und auch in den Gewässern strömen diese Kohlenwasserstoffe.
Erster globaler Blick auf Titans Landschaften
„Der Titan hat einen aktiven, methanbasierten hydrologischen Kreislauf, der eine komplexe geologische Landschaft geprägt hat“, erklärt Erstautorin Rosaly Lopes vom Jet Propulsion Laboratory der NASA in Pasadena. „Das macht die Oberfläche des Mondes zu einer der geologisch vielseitigsten im gesamten Sonnensystem.“ Die dichte, undurchsichtige Atmosphäre des Titan hat es jedoch bisher verhindert, mehr als nur punktuelle Blicke auf seine Landschaften zu werfen.
Erst jetzt ist es Lopes und ihren Kollegen gelungen, eine globale Karte der geologischen Landschaften des Titan zu erstellen. Dafür werteten sie Infrarot- und Radardaten der NASA-Raumsonde Cassini aus, die zwischen 2004 und 2017 insgesamt 120 Mal am Saturnmond vorbeigeflogen ist und dabei die Oberfläche scannte. Das Ergebnis ist eine Karte im Maßstab 1:20.000.000, die erstmals die Großgliederung der Titanoberfläche erkennen lässt.
Ebenen und Dünenfelder
Die Karte enthüllt, dass es auf dem Titan sechs Haupttypen von Landschaften gibt. Den größten Anteil haben weite, von organischem Material bedeckte Ebenen. Sie nehmen 65 Prozent der Oberfläche des Saturnmonds ein und dominieren vor allem die mittleren Breiten. „Das Fehlen von Gewässerstrukturen deutet darauf hin, dass dieses Terrain porös ist oder dass dort frühere Flussnetze überformt wurden“, berichten die Forscher.
Die zweithäufigste Landschaftsform sind Dünenfelder. Sie machen 17 Prozent der Titanoberfläche aus und konzentrieren sich in der Äquatorregion des Mondes. „Messungen zeigen, dass die Dünen meist ein bis zwei Kilometer breit sind, ein bis vier Kilometer auseinander liegen und hunderte Kilometer lang sein können“, so Lopes und ihr Team. Die durchschnittliche Höhe dieser aus organischem Material bestehenden und vom Wind geformten Erhebungen liegt bei 80 bis 130 Metern.
Seen und „Labyrinthe“
Die wahrscheinlich prominenteste Landschaftsform des Titan sind die polaren Seen. Sie machen zwar nur rund 1,5 Prozent der Titanoberfläche aus, dominieren aber die gesamte Nordpolarregion. Insgesamt sind 650 Seen bekannt, die teils mit flüssigen Kohlenwasserstoffen gefüllt und teils trockengefallen sind. „Die Seen und die Dünen gehören zu den jüngsten Landschaftsformen auf dem Titan“, berichten Lopes und ihre Kollegen.
Ebenfalls von Gewässern dominiert ist die vierte Landschaftsform des Titan: das Labyrinth-Terrain. Dieses ist von Flussnetzwerken und kleineren Hochplateaus geprägt und liegt vorwiegend in höheren Breiten, wie die Karte zeigt. „Die Labyrinthe haben eine Morphologie, die den Karstgebieten ähnlich ist und die wahrscheinlich durch eine Kombination von Verwitterung und mechanischer Erosion gebildet wurde“, so die Forscher.
Junge Krater und alte Hügel
Ebenfalls eher jung sind die wenigen Krater auf dem Saturnmond. Wie die Karte enthüllt, machen sie nur 0,7 Prozent der Oberfläche aus. „Nur 23 Krater von mehr als 20 Kilometern Durchmesser sind bisher mit großer Sicherheit identifiziert“, berichten die Forscher. Sie vermuten, dass die dynamische Geologie des Mondes solche Einschlagsspuren relativ schnell erodieren lässt und die Krater daher nur wenige hundert Millionen Jahre erhalten bleiben.
Sehr alt und ursprünglich sind dagegen die Hügel und Gebirge auf dem Titan. Sie machen rund 14 Prozent der Landoberfläche aus und liegen verstreut in den mittleren und höheren Breiten. Ihre Besonderheit jedoch ist ihr Material, wie die Radardaten enthüllten: Im Gegensatz zu anderen, von organischem Material geprägten Landschaften enthalten die Hügel und Berge einen hohen Anteil an Wassereis.
„Das spricht dafür, dass dieses Terrain freigelegte Reste von Titans eisiger Kruste repräsentiert“, erklären die Forscher. Gängiger Theorie nach wurde diese Kruste im Laufe der Zeit von organischen Ablagerungen überdeckt, so dass heute nur noch einzelne Relikte davon aus dieser organischen Sedimentschicht herausragen.
Vielfältige Prozesse
Insgesamt zeigt die neue Karte den Saturnmond als eine vielgestaltige und dynamische Welt, auf der je nach Region ganz unterschiedliche geologische Landschaften dominieren. „Die klaren Unterschiede zwischen diesen geologischen Einheiten deuten darauf hin, dass eine Bandbreite von Prozessen auf die Oberfläche dieses Mondes einwirken muss – bestimmt von klimatischen, saisonalen und höhenspezifischen Bedingungen“, konstatieren Lopes und ihre Kollegen. (Nature Astronomy, 2019; doi: 10.1038/s41550-019-0917-6)
Quelle: NASA/ JPL