Unheimliche Klänge: Forscher haben erstmals hörbar gemacht, wie das Magnetfeld der Erde „singt“. Denn wenn der Sonnenwind auf unsere schützende Magnethülle trifft, verursacht er turbulente Wellen – und diese lassen sich in Töne umwandeln. Diese „außerirdische“ Musik enthüllt, dass das Magnetfeld in Ruhe tief und mit einer dominierenden Frequenz singt, bei einem Sonnensturm aber komplexere, höhere Tonfolgen erzeugt.
Das irdische Magnetfeld ist unser wichtigster Schutz gegen harte kosmische Strahlung, den Sonnenwind und die immer wieder auftretenden Sonnenstürme. Der dichte „Käfig“ aus magnetischen Feldlinien hält einen Großteil dieser energiereichen Teilchen auf. Allerdings geht dies nicht spurlos an der Magnethülle vorüber: Sie schwingt beim Aufprall eines heftigen Sonnensturms wie eine Trommel, wie NASA-Satelliten nachgewiesen haben.
An der Außengrenze der irdischen Magnethülle
Jetzt haben Forscher erstmals herausgefunden, wie dieses Schwingen klingt, wenn man es in hörbare Frequenzen übersetzt – und was diese „Magnetmelodien“ verraten. Für ihre Studie nutzten Lucile Turc von der Universität von Helsinki und seine Kollegen Daten der vier Satelliten der europäischen Cluster-Mission. In der Zeit von 2001 bis 2005 sind diese Satelliten mehrfach durch die sogenannte „Foreshock“-Region geflogen und haben dabei magnetische Messungen durchgeführt.
„Der Foreshock ist die erste geophysikalische Region, der der Sonnensturm auf seinem Weg Richtung Erde begegnet“, erklären die Forscher. Diese Zone turbulenter Strömungen liegt noch vor der eigentlichen Außenbarriere des Magnetfelds und bremst die heranrasenden energiereichen Plasmawolken und Teilchen ab. Dabei entstehen elektromagnetische Wellen, die weit in den Weltraum und auch Richtung Erde ausstrahlen.
Wie diese Wellen beschaffen sind und wie sie sich von Ruhephase zum Sonnensturm verändern, enthüllen nun die Messdaten der Cluster-Sonden.
„Musik“ der Magnetschwingungen
Das Besondere jedoch: Um diese Veränderungen fassbarer zu machen, haben die Forscher diese Magnetwellen zusätzlich in hörbare Klänge „übersetzt“: Sie transponierten die Wellenmuster in Audio-Frequenzen – und machten so erstmals den „Gesang“ des Erdmagnetfelds hörbar. Das Ergebnis ist eine unheimliche, wie aus einem Science-Fiction-Film klingende Musik.
Dieser „außerirdische“ Gesang gleicht in ruhigen Phasen einer tiefen, vorwiegend von einer Frequenz dominierten Melodie. Doch wenn ein Sonnensturm den Foreshock trifft, ändert sich dies abrupt: Die Frequenz des „Gesangs“ steigt je nach Stärke des Sturms bis zum Doppelten an und die Struktur der Melodie wird deutlich komplexer, wie die transponierten Aufnahmen enthüllen.
Komplexe Überlagerungen
„Die Sonnenstürme verändern die Foreshock-Region grundlegend“, sagt Turc. „Es ist als wenn der Sturm sie komplett umstimmt.“ Nähere Analysen der Wellendaten zeigten auch, warum: Bei einem Sonnensturm werden die normalerweise fast monochromatischen magnetosonischen Wellen durch ein komplexes Muster von Wellen ganz unterschiedlicher Perioden überlagert, wie die Forscher berichten.
Dadurch entsteht ein turbulentes Wellenfeld, das sich von der Foreshock-Zone in Richtung Sonne ausbreitet. Weil jedoch der Sonnensturm ihre weitere Ausbreitung verhindert, pflanzt sich die Energie dieser Turbulenzen dann in Richtung Erde fort. Auf ihrem Weg kollidieren sie mit der Außenbarriere des Magnetfelds und lösen auch dort Schwingungen aus. Resonanzeffekte sorgen dann dafür, dass sich die Auswirkungen des Sonnensturms bis in die obere Atmosphäre fortsetzen und dann dort unter anderem Polarlichter auslösen können.
Neue Erkenntnisse auch für fremde Welten
Damit liefern die neuen Daten wertvolle neue Erkenntnisse zum „Gesang“ des Magnetfelds und den komplexen Mustern, die ein Sonnensturm in seinem Außenbereich verursacht. „Die Resultate lassen uns tiefer in die Details der fundamentalen magnetischen Wechselwirkungen blicken, die im gesamten Universum zu finden sind“, sagt Philippe Escoubet, ESA-Projektleiter der Cluster-Mission.
Magnetfelder schützen nicht nur unsere Erde, sie umgeben auch die Sonne und viele andere Sterne – und könnten auch bei vielen Exoplaneten präsent sein. Sie könnten so dazu beitragen, erdähnliche Planeten um Rote Zwerge wie beispielsweise Proxima Centauri b vor den stellaren Ausbrüchen zu schützen. (Geophysical Research Letters, 2019; doi: 10.1029/2019GL084437)
Quelle: European Space Agency (ESA)