Keine Trendwende: Die CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen sind auch im Jahr 2019 weiter gestiegen – auf einen neuen Höchstwert von knapp 37 Milliarden Tonnen CO2. Zwar hat sich die Zunahme gegenüber den Vorjahren leicht verlangsamt, ein Peak der Emissionen ist aber nicht in Sicht, wie die aktuelle Bilanz des Global Carbon Project aufzeigt. Zudem sinkt zwar in Europa und den USA der Anteil der Kohle, dafür steigen die Emissionen aus Erdgas und Erdöl.
Die Zielvorgabe ist klar: Bis zum Jahr 2050 muss die Menschheit ihre Treibhausgas-Emissionen auf Netto Null herunterschrauben – nur dann kann die globale Erwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden, um schwerwiegende Klimafolgen zu vermeiden. Bisher allerdings geht der Trend in die andere Richtung, wie die vor wenigen Tagen veröffentlichte Treibhausbilanz der Erdatmosphäre belegt.
Jetzt liegt auch die Bilanz für den anthropogenen CO2-Ausstoß vor, zusammengestellt von Forschern des Global Carbon Project um Robert Jackson von der Stanford University. Sie haben ermittelt, wie viel CO2 im Jahr 2019 aus fossilen Brennstoffen, Landnutzung und anderen Quellen in die Atmosphäre freigesetzt wurde – und auch, wie hoch der Anteil der einzelnen Länder ist.
37 Milliarden Tonnen CO2 aus Kohle, Erdöl und Co
Das Ergebnis: Insgesamt werden die anthropogenen CO2-Emissionen in diesem Jahr einen Wert von gut 43 Milliarden Tonnen erreichen – ein neuer Höchstwert. Davon gehen knapp 37 Milliarden Tonnen auf die Nutzung fossiler Brennstoffe zurück. Kohle hat dabei mit rund 40 Prozent den größten Anteil, gefolgt von Erdöl mit 34 Prozent und Erdgas mit 20 Prozent, wie die Forscher berichten.
Damit ist klar: Trotz Klimaschutzzielen und vielen Absichtserklärungen ist bei den Emissionen keine Trendwende in Sicht. Statt zurückzugehen, ist der weltweite CO2-Ausstoß weiterhin deutlich angestiegen – seit Abschluss des Pariser Klimaabkommens um vier Prozent. „Die aktuelle Klima- und Energiepolitik ist zu schwach, um den Trend in den globalen Emissionen umzukehren“, betont Corinne Le Queré von der University of East Anglia.
Wachstum leicht verlangsamt – aber keine Trendwende
Immerhin scheinen die Emissionen seit letztem Jahr etwas langsamer zu wachsen: Die Steigerungsrate liegt 2019 bei 0,6 Prozent, im Jahr 2018 waren es noch 2,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr, wie die Forscher berichten. Verantwortlich für diese Verlangsamung sind leicht verringerte Emissionen in einigen Industrieländern, unter anderem der USA und der EU.
Allerdings ist dies kein verlässliches Zeichen einer Wende, wie auch Joeri Rogelj vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in einem Kommentar betont: „Die CO2-Emissionen schwanken von Jahr zu Jahr, aber es ist der langfristige Trend, der wichtig ist. Wir haben bereits in der Vergangenheit ein paar Jahre gesehen, in denen die Emissionen sogar unverändert blieben.“ Denn kurzfristige Schwankungen spiegeln oft nur die Lage der Weltwirtschaft wider, nicht aber Klimaschutzeffekte.
Rückgang der Kohle-Emissionen – teilweise
Ein weiteres Resultat der Bilanz: Der Anteil der Kohle an den globalen CO2-Emissionen ist leicht rückläufig – um 0,9 Prozent gegenüber 2018. Allerdings gibt es dabei starke regionale Unterschiede. So sank der CO2-Ausstoß aus Kohle in den USA um elf Prozent, in der EU um zehn Prozent, wie die Forscher berichten. Dafür jedoch setzen China und Indien noch immer stark auf Kohle. Ihre kohlenbedingten Emissionen sind weiter angestiegen – wenn auch leicht schwächer als 2018.
Auch bei der Kohlenutzung gibt es demnach keine globale Trendwende. Zwar bewegen sich einige Industrieländer auf den Kohleausstieg zu, in vielen Entwicklungs- und Schwellenländer aber heizt der steigende Energiehunger die Kohleverbrennung weiter an. „China und Indien haben klargemacht, dass sie die Kohle-Nutzung weiterhin als zentralen Teil ihrer Entwicklung sehen, während eine ganze Reihe von Schwellenländern weltweit vorhat, die Verbrennung von Kohle noch deutlich auszubauen“, kommentiert Jakob Wachsmuth vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung.
Erdgas boomt
Sogar noch verstärkt hat sich dagegen die Nutzung von Erdöl und Erdgas. Die Emissionen aus Erdgas sind gegenüber 2018 um 0,9 Prozent angestiegen, beim Erdgas sind es sogar 2,6 Prozent, wie die Forscher berichten. Damit ist Erdgas die weltweit am schnellsten wachsende Emissionsquelle. Nach Ansicht von Jackson und seinem Team ist das eine bedenkliche Entwicklung. Denn obwohl Erdgas rund 40 Prozent weniger CO2 pro Energieeinheit erzeugt als Kohle, sei es weit davon entfernt, klimafreundlich zu sein, betonen sie.
Ähnlich sieht es Niklas Höhne von der Universität Wageningen: „Es ist ein Irrglaube, Erdgas wäre die Lösung. Auch Erdgas ist nicht mit den Klimazielen vereinbar“, betont der nicht an der Studie beteiligte Klimaexperte. „Trotzdem werden immer neue Gasfelder erschlossen, insbesondere durch Fracking, was genauso emissionsintensiv sein kann wie Kohle. Häfen und Pipelines werden massiv ausgebaut. Wenn wir Klimaschutz ernst nehmen, müssen all diese Investitionen überdacht werden.“
Noch ein weiter Weg
Die Bilanz der CO2-Emissionen zeigt damit vor allem eines: Bis zu einem wirksamen Klimaschutz ist es noch ein weiter Weg. „Die wissenschaftlichen Fakten sind klar: Wir müssen die CO2-Emissionen auf Netto-Null bringen, um die weitere Erwärmung des Planeten zu stoppen“, sagt Co-Autor Pierre Friedlingstein von der University of Exeter. Bisher allerdings klafft noch eine große Lücke zwischen den für das Pariser Abkommen eingereichten nationalen Klimaschutzzielen und dem für das 1,5-Grad Ziel Nötigen. Beim Weltklimagipfel in Madrid wird zurzeit darüber verhandelt, wie ambitioniertere Ziele umgesetzt werden können.
In der Pflicht, mit dem Klimaschutz voranzugehen, sieht Friedlingstein vor allem die Industrieländer: „Die Emissionsminderungen der reicheren Nationen müssen die Zunahmen der ärmeren Länder übertreffen, weil deren Energiebedarf noch wächst“, betont der Forscher. Immerhin sei der durchschnittliche US-Bürger heute für dreieinhalb Mal mehr fossile CO2-Emissionen verantwortlich als der globale Mittelwert von 4,8 Tonne pro Kopf und Jahr. (Environmental Research Letters, 2019, doi: 10.1088/1748-9326/ab57b3; Earth System Science Data, 2019, doi: 10.5194/essd-11-1783-2019)
Quelle: Global Carbon Project