Überraschend anders: Magnetische Inseln, abrupte Kehrtwenden und eine verblüffend starke Rotation – schon die ersten Daten der NASA-Raumsonde „Parker Solar Probe“ verändern gängige Annahmen über das nahe Umfeld unserer Sonne. Die Messdaten der ersten drei „Tauchgänge“ durch die Sonnenkorona zeigen eine weit komplexere, dynamischere Sonnenatmosphäre als bislang angenommen und decken ganz neue Phänomene auf.
Millionen Grad heiß, von energiereicher Strahlung erfüllt und Ausgangsort extrem beschleunigter Partikelströme: Die Korona der Sonne ist eine ebenso extreme wie rätselhafte Umgebung. Denn warum sie so heiß ist und welche Prozesse in ihr ablaufen, ist bislang unbekannt. Doch seit Sommer 2018 kommt die Parker Solar Probe der Korona so nahe wie nie ein Gefährt zuvor. Auf exzentrischen Orbits taucht sie immer wieder in die Korona ein und kommt der Sonne sukzessive näher – bis auf neun Sonnenradien.
„Ganz neue, unerwartete Seite der Sonne“
Jetzt haben Forscher die Daten der ersten drei nahen Vorbeiflüge der Sonnensonde ausgewertet – mit überraschenden Ergebnissen. „Schon diese ersten Daten der Parker-Sonde zeigen unseren Stern von einer ganz neuen, unerwarteten Seite“, sagt NASA-Administrator Thomas Zurbuchen. Denn die nahe Sonnenumgebung ist weit strukturierter und komplexer als bislang gedacht und auch der Sonnenwind verhält sich dort anders.
Die neuen Einblicke verdanken die Forscher nicht nur dem geringen Abstand der Parker-Sonde zur Sonne. Die Raumsonde passte ihr Flugtempo bei ihren nahen Vorbeiflügen auch so an die Sonnenrotation an, dass die relativ zu deren Oberfläche quasi stillstand. Dadurch konnte sie das Geschehen in der Korona und an der Sonnenoberfläche erstmals ohne den störenden Einfluss der Sonnenrotation aufzeichnen – und so ganz neue Einsichten gewinnen.
Zacken im Teilchenstrom
Ein überraschendes Phänomen sind die „Switchbacks“: kurzlebige, scharfe, fast wieder zur Sonne zurückzeigende Kehren in den Teilchenströmen des Sonnenwinds. Die Messinstrumente der Parker Solare Probe registrierten diese als abrupte Umkehrungen der elektrischen und magnetischen Felder, die über die Sonde hinwegzogen und wieder verschwanden.
„Wir haben schon gedacht, dass die Wellen des Sonnenwinds in Sonnennähe stärker werden, aber dass sie solche kohärenten Spitzen bilden, haben wir nicht erwartet“, sagt Justin Kasper von der University of Michigan. Wie diese Kehren im Sonnenwind entstehen, ist bislang unbekannt. Die Forscher vermuten aber, dass die Magnetfelder der Teilchenströme durch mit ins All hinausgerissene Plasmastrukturen verändert werden.
Verblüffend starke Scherkräfte
Eine weitere Überraschung ist die Ausrichtung des Sonnenwinds in Sonnennähe. In Erdnähe gemessen scheint er als Strom von relativ gleichmäßig und radiär von der Sonne ausgehenden energiereichen Teilchen. Doch in Sonnennähe ist dies ganz anders, wie nun die Messungen der Parker-Sonde enthüllen. Dort werden die Teilchenströme von der Rotation der Sonne mitgerissen – ähnlich wie ein Ball, der von einem sich drehenden Karussell fliegt.
Die Messdaten zeigen, dass diese Zone des noch mitrotierenden Sonnenwinds schon in einem Abstand von 32 Millionen Kilometern von der Sonne beginnt – und damit viel weiter außen als zuvor angenommen. Gleichzeitig war das Tempo dieser Scherbewegung weit höher als es die Forscher vermutet hätten. „Der enorme Rotationsfluss des Sonnenwinds war eine echte Überraschung“, sagt Kasper. „Die Geschwindigkeiten, die wir schon in diesen ersten Vorbeiflügen sehen, sind fast zehnmal höher als durch die Modelle vorhergesagt.“
Magnetische Inseln
Ein ganz neues Phänomen enthüllten die Daten des aus zwei Spezialteleskopen bestehenden WISPR-Instruments der Raumsonde. Denn mit ihnen gelang es den Forschern, ein bisher nur theoretisch postuliertes Phänomen einzufangen: die Bildung von magnetischen Inseln in der Korona. „Dabei handelt es sich um eine Ansammlung grob elliptischer Magnetfeldlinien, die in sich geschlossen sind“, erklären Russel Howard vom US Naval Research Laboratory und seine Kollegen.
Der Theorie nach entstehen diese rundlichen Plasmagebilde, wenn magnetische Feldlinien bei solaren Ausbrüchen aus ihrem Umfeld herausgerissen werden und sich dann neu miteinander verknüpfen. In einigen Fällen bilden sie dann solche in sich geschlossenen „Inseln“. Dass es diese Magnetinseln tatsächlich gibt, hat nun die Sonnensonde erstmals nachgewiesen.
Verdrängter Staub
Und noch etwas enthüllten die Daten: Während der interplanetare Raum im inneren Sonnensystem normalerweise von unzähligen Staubpartikeln angefüllt ist, scheint sich dieser Staub in unmittelbarer Sonnennähe auszudünnen. Schon rund elf Millionen Kilometer von der Sonne entfernt registrierten die WISPR-Teleskope allmählich abnehmende Staubdichten. Weiter Richtung Sonne setzte sich dieses Ausdünnen stetig weiter fort.
Nach Ansicht der Forscher könnte dies ein erstes Indiz für eine schon länger vorhergesagte staubfreie Zone rund um die Sonne sein. Modellen zufolge wird dort der Staub durch den Sonnenwind und die Magnetfelder aus der Sonnennähe verdrängt. Frühere Beobachtungen konnten dies jedoch bisher weder bestätigen noch widerlegen. Jetzt liefert die Parker Solar Probe erstmals Belege dafür. „Erstmals sehen wir nun, was mit dem Staub nahe der Sonne wirklich passiert“, sagt Howard.
Erst der Anfang
Insgesamt haben damit schon die ersten drei Vorbeiflüge der Sonnensonde ganz neue Erkenntnisse über unseren Heimatstern gebracht – dabei sind sie erst der Anfang. Denn im Laufe der nächsten 21 Orbits wird die Raumsonde der Sonne noch deutlich näher kommen als bisher. Die Wissenschaftler aller Teams hoffen daher, dass die Parker Solar Probe ihnen in naher Zukunft noch genauere, weitreichendere Einblicke in die extreme Welt der solaren Korona eröffnen wird.
„Die Sonne ist der einzige Stern, den wir von so Nahem erkunden könne“, sagt die Astrophysikerin Nicola Fox von der NASA. „Daten direkt von der Quelle zu bekommen, revolutioniert daher nicht nur unsere Vorstellungen unseres Heimatsterns, sondern auch von Sternen im gesamten Universum. Unsere kleine Sonde kämpft sich tapfer weiter durch die brutalen Bedingungen dort draußen, um uns weitere überraschende und aufregende Daten zu liefern.“ (Nature, 2019; doi: 10.1038/s41586-019-1818-7; doi: 10.1038/s41586-019-1807-x; doi: 10.1038/s41586-019-1813-z; doi: 10.1038/s41586-019-1811-1)
Quelle: NASA