Biologie

Rekord-Chromosom bei Lerchen entdeckt

Die Feldlerche hat das größte Geschlechtschromosom aller Vögel

Feldlerche
Rekordhalter: Die Feldlerche und ihre Verwandte, die Rasolerche, besitzen die größten Geschlechtschromosomen aller Vögel. © Ali Tellioglu/ iStock.com

Rekord im Erbgut: Lerchen besitzen die größten Geschlechtschromosomen aller Vögel. Wie Forscher herausgefunden haben, sind diese DNA-Pakete bei der Feldlerche und der Rasolerche rund 195 Millionen Basenpaare lang. Sie enthalten damit gut 16 Prozent des gesamten Erbguts dieser Vögel. Entstanden sind diese Riesenchromosomen im Laufe der Evolution wohl durch die schrittweise Fusion mehrerer Einzel-Chromosomen.

Normalerweise liegt die DNA lose verknäuelt im Zellkern vor. Doch vor jeder Zellteilung wird das Erbgut fein säuberlich in kompakte Pakete verpackt: Es entsteht die typische Chromosomenform. Beim Menschen sind diese DNA-Verpackungen im Durchschnitt etwa 140 Millionen Basenpaare (Mbp) lang – Chromosom 1 enthält als größtes menschliches Chromosom 249 davon, unser kürzestes Chromosom ist weniger als ein Fünftel so lang.

In manchen Krebszellen kann sich das Erbgut so grotesk verändern, dass wahre Monster-Chromosomen entstehen. Diese enthalten mitunter sogar bis zu 600 Millionen Basenpaare. Doch nicht jedes übergroße Chromosom ist krankhaft: Von Insekten sind sogenannte Riesenchromosome bekannt, die durch mehrmalige Verdopplung der DNA ohne anschließende Kernteilung entstehen.

195,3 Millionen Basenpaare

Nicht ganz so überdimensioniert, aber doch rekordverdächtig sind die Chromosomen, die Hanna Sigeman von der Universität Lund und ihre Kollegen nun bei Lerchen entdeckt haben. Die Mitglieder dieser Singvogel-Familie sind für ihre ungewöhnlich großen Geschlechtschromosomen bekannt. Doch welche Art hat das größte? Um dies herauszufinden, verglichen die Forscher die Genome von Lerchen (Alaudidae) und den eng mit ihnen verwandten Bartmeisen (Panuridae).

Die Auswertungen enthüllten: Mit 195,3 Millionen Basenpaaren gewinnen die Feldlerche (Alauda arvensis) und die auf den Kapverden heimische Rasolerche (Alauda razae) den Größenvergleich. Das betreffende Chromosom macht etwa 16,3 Prozent des gesamten Erbguts dieser Tiere aus – und ist das größte von Vögeln bekannte Geschlechtschromosom, wie die Wissenschaftler berichten.

Schrittweise Fusion

Weitere Analysen ergaben, dass das rekordgroße DNA-Paket durch die schrittweise Fusion von Teilen der vier Vogel-Chromosomen Z, 3, 4A und 5 entstanden sein muss. Die erste Fusion fand demnach bereits vor 25 Millionen Jahren statt, die jüngste vor sechs Millionen. „Das war eine ungewöhnliche Entdeckung. Denn eigentlich gilt das Genmaterial von Vögeln als sehr stabil“, berichtet Sigemans Kollege Bengt Hansson. Ähnliche Fusionsereignisse sind den Forschern zufolge unter anderem von Brüllaffen, Leguanen und Seeschlangen bekannt.

Die vier Chromosomen, die den Ursprung des riesenhaften Geschlechtschromosoms der Lerchen bilden, haben sich unabhängig davon auch bei anderen Wirbeltierarten zu Geschlechtschromosomen entwickelt. „Teile dieses genetischen Materials formen zum Beispiel bei Fischen, Fröschen, Schildkröten, aber auch einigen Säugetieren Geschlechtschromosomen“, erklärt Hansson. Dies zeige: Bei Wirbeltieren werden offenbar immer wieder dieselben Chromosomen als Geschlechtschromosomen rekrutiert.

Langfristig ein Problem?

Warum genau sich bei den Lerchen einst die riesenhaften Chromosomen entwickelten, ist den Wissenschaftlern zufolge unklar. Langfristig könnten diese großen Erbgutpakete jedoch durchaus zum Problem für die Vögel werden. Denn Studien legen nahe, dass die Geschlechtschromosomen einiger Tiere dazu neigen, Erbinformationen zu verlieren und zu verkümmern. So ist es im Laufe der Evolution etwa beim männlichen Y-Chromosom passiert – ähnliche Muster sind von weiblichen Geschlechtschromosomen bei Vögeln bekannt.

Verliert auch das Riesenchromosom der Lerchen immer mehr funktionelle Gene, wäre dies besonders problematisch: „Weil bei diesen Arten dreimal mehr genetisches Material mit den Geschlechtschromosomen verknüpft ist als bei anderen Vögeln, könnte dies folgenschwere Konsequenzen für viele Gene haben“, schließt Sigeman. (Proceedings of the Royal Society B, 2019; doi: 10.1098/rspb.2019.2051)

Quelle: Universität Lund

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