Vom Fels zum Boden: Bakterien spielen offenbar eine größere Rolle für die Gesteinsverwitterung als bislang gedacht. Denn einige Mikroben können das Gestein förmlich zerfressen, wie nun Forscher entdeckt haben. Dafür produzieren diese Bakterien spezielle Proteine, mit denen sie das im Felsuntergrund enthaltenen Eisen oxidieren. Sie gewinnen dadurch Energie, das Gestein aber zerfällt im Laufe der Zeit.
So vielseitig die Böden der Erde auch sind, sie alle haben ihre Ursprung letztlich in der Verwitterung von Gestein. Durch chemische oder physikalische Prozesse wird dabei der Felsuntergrund aufgebrochen und chemisch zersetzt. Erst dieser Prozess setzt die mineralischen Nährstoffe frei, die dann Mikroorganismen und Pflanzen als Nahrung dienen. Bisher aber war unklar, inwieweit Mikroben schon beim ersten Schritt der Verwitterung, dem Zersetzen des Gesteins in kleinere Brocken, mitwirken.
Fahndung im Felsuntergrund
Jetzt haben Forscher erstmals solche „Steinfresser“ quasi auf frischer Tat ertappt. Für ihre Studie entnahmen Stephanie Napieralski von der University of Wisconsin-Madison und ihre Kollegen zunächst Bohrkerne aus einem von Quarz und Diorit dominierten Felsuntergrund in Puerto Rico. Frühere Proben hatten bereits gezeigt, dass es in acht Metern Tiefe eine Gesteinsschicht gibt, in der ungewöhnlich hohe Zellzahlen von Mikroben vorkommen.
Deshalb brachten die Forscher nun Proben aus dieser Schicht in Labor, zermahlten sie und kultivierten sie knapp zweieinhalb Jahre lang unter Dauerdunkel. Parallel dazu wurden Proben des gleichen Materials sterilisiert und unter den gleichen Bedingungen gehalten. Nach Ablauf der Zeit führten Napieralski und ihre Kollegen chemische und physikalische Analysen des Materials durch, um nach Hinweisen auf eine biologische Verwitterung zu suchen.
Durch Eisenoxidation zersetzt
Tatsächlich wurden sie fündig: In der nicht sterilisierten Probe zeigten viele Gesteinskörnchen sichtbare Riefen und Kerben, die auf ein Herauslösen von Mineralanteilen hindeuteten – auf eine Verwitterung. Gleichzeitig ergaben die Analysen, dass sich die im Gestein vorhandenen Mikroben vermehrt und das energiereiche Molekül ATP produziert hatten. Weil in den Proben nur Gestein ohne jedes organische Material enthalten war, mussten die Bakterien sich rein anorganisch ernährt haben.
Aber wovon? Ein Indiz dafür war eine auffallende Veränderung im Anteil des zweiwertigen Eisens in der Probe: Sie war in den zweieinhalb Jahren von 76,3 auf nur noch 43,1 Prozent abgesunken, wie die Forscher berichten. Gleichzeitig hatte sich auf den Körnchen eine Schicht von Eisen-Oxyhydroxiden gebildet. Sie schließen daraus, dass die Mikroben das in dem Quarz-Diorit enthaltene Eisen oxidiert haben und so die Energie für ihr Überleben Wachstum erhielten.
Protein hilft Mikroben bei der Gesteinszersetzung
„Diese Oxidation und die dadurch verursachte Verwitterung ist zwar langsam, aber ohne die Bakterien passiert dort gar nichts“, sagt Napieralski. Wie ihre Analysen enthüllten, stammen diese „Steinfresser“ vorwiegend aus der Gruppe der Betaproteobacteria – einer Bakteriengruppe, aus der schon zuvor einige Mikroben mit der Fähigkeit zur Metall-Oxidation bekannt waren.
Nähere Untersuchungen ergaben, dass diese „Steinfresser“ ein Protein produzieren, das die Eisenoxidation ermöglicht, ohne dass das Bakterium das Metall in seine Zelle aufnehmen muss. „Diese biologische Erfindung erlaubt es den Zellen, in elektrischen Kontakt mit den Mineralen zu treten und das Gestein durch die Oxidation zu schwächen – es sozusagen zu fressen.“
Steinfresser als wichtige Akteure der Verwitterung
Nach Ansicht der Forscher widerlegen diese Ergebnisse die Annahme, dass Mikroben erst nach der chemischen und physikalischen Verwitterung für die Bodenbildung aktiv werden. Stattdessen tragen auch Bakterien dazu bei, das Gestein in mineralische Spurenstoffe zu zersetzen. „Diese Hypothese ist schon zuvor postuliert worden, aber bisher konnte sie nicht experimentell bewiesen werden“, sagen die Wissenschaftler. Jetzt liefere ihre Studie den fehlenden Beleg.
„Diese Entdeckung eröffnet uns einen ganz neuen Blick auf die oxidative Verwitterung von eisenhaltigem Silikatgestein“, sagt Napieralskis Kollege Eric Roden. „In jeder Nische und Ritze, in jedem zerbrochenen Gestein, in dem es Ferrosilikatminerale gibt, sitzt wahrscheinlich eine Mikrobe und versucht, daraus Energie zu gewinnen.“ (Proceedings of the National Academy, 2019; doi: 10.1073/pnas.1909970117)
Quelle: University of Wisconsin-Madison