Gedankenleser-KI, Quanten-Supremat und ein Doppelspalt-Experiment für Antimaterie: Sie alle gehören zu den physikalischen Top Ten 2019. Als Durchbruch des Jahres aber sieht die Jury des Magazins „Physics World“ einhellig das erste Foto eines Schwarzen Lochs, das Astronomen mit dem Event Horizon Teleskop gelang. Erstmals machte dies den Ereignishorizont und den dunklen Schatten des Schwarzen Lochs sichtbar.
Jedes Jahr küren die Herausgeber des Magazins „Physics World“ den physikalischen Durchbruch des Jahres und die zehn wichtigsten Highlights aus der Welt der Physik. Kriterien für die Auswahl: Die Arbeit muss bedeutend sein, das Wissen signifikant voranbringen, eine starke Verbindung zwischen Theorie und Experiment zeigen und von allgemeinem Interesse für alle Physiker sein.
Top-Durchbruch: Das Porträt eines Schwarzen Lochs
Zum Durchbruch des Jahres 2019 kürte die Jury einen Meilenstein der Astronomie: das erste Foto eines Schwarzen Lochs. Dieses im April 2019 veröffentlichte Bild belang den Forschern mithilfe eines erdumspannenden Netzwerks von zusammengekoppelten Radioteleskopen, dem Event Horizon Telescope. Damit visierten sie einige Tage lang das 55 Millionen Lichtjahre entfernte supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum der Galaxie M87 an.
Nach zwei Jahren der Datensynchronisation und Verarbeitung war es dann soweit: Erstmals zeigte ein Bild die glühenden Gase am Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs und – noch wichtiger – den dunklen Schatten, den das Schwarze Loch auf seine Umgebung wirft. „Wir geben der Menschheit damit den ersten Blick auf ein Schwarzes Loch – eine Einbahnstraße aus unserem Universums“, kommentierte damals Sheperd Doeleman vom Massachusetts Institute of Technology.
Marsbeben und Rekord-Magnetfeld
Ebenfalls aus dem Weltall stammt ein weiteres Highlight der Physik 2019: Die NASA-Raumsonde Mars Insight registrierte im April 2019 erstmals ein Beben auf dem Mars. Dies ist der erste eindeutige Nachweis einer solchen seismischen Aktivität auf dem Roten Planeten. Damit ist der Mars nach Erde und Mond erst der dritte Himmelskörper im Sonnensystem, auf dem Beben gemessen wurden. Was diese Marsbeben jedoch auslöst, ist noch unbekannt.
Das nächste Highlight ist ein im gesamten Kosmos verbreitetes Phänomen, passierte in diesem Fall aber in einem irdischen Labor: Forscher haben mithilfe eines Hochtemperatur-Supraleiters das bisher stärkste anhaltende Magnetfeld der Welt erzeugt. Der Magnet erreichte Feldstärke von 45,5 Tesla –mehr als die bisherigen Spitzenwerte herkömmlicher Gleichstrom-Elektromagneten und supraleitender Magneten.
Der Antimaterie auf der Spur
Aus dem Reich der kleinsten Teilchen kommen zwei Highlights dieses Jahres. Unter ihnen ist das erste Doppelspalt-Experiment mit Antimaterie. Für dieses schickten Forscher Positronen durch ein goldbeschichtetes Gitter und wiesen erstmals nach, dass auch die Antiteilchen ein Interferenzmuster erzeugen – ein Beweis ihrer Doppelnatur aus Teilchen und Welle.
Ebenfalls um Antimaterie geht es im nächsten Highlight: Physiker am LHCb-Experiment des Teilchenbeschleunigers LHC haben weitere Indizien für eine Asymmetrie von Materie und Antimaterie gefunden. Sie stellten Unterschiede beim Zerfall des sogenannten D0-Mesons und seinem Antiteilchen fest. Damit sind nun solche Abweichungen im Verhalten von Materie und Antimaterie bei drei Quark-Sorten bekannt.
Siegreicher Quantencomputer und Quantenfalle
Unter die Top Ten schaffte es auch der von Google entwickelte „Sycamore“-Quantencomputer. Denn er bewältigte in drei Minuten eine Aufgabe, für die der weltstärkste Supercomputer nach Aussagen der Google-Forscher 10.000 Jahre benötigen würde. Zudem schaffte der Quantenrechner dies mit nur 54 Quantenbits – der Supercomputer hatte 40.000 Prozessoren. Damit könnte erstmals ein Quantencomputer das „Supremat“ der Quanten belegt haben.
In einem weiteren Highlight haben Forscher erstmals eine Falle für winzige Objekte auf Basis des Casimir-Effekts konstruiert. Dieser Effekt beruht auf der Tatsache, dass selbst das Vakuum von Quantenfluktuationen erfüllt ist und dass diese quasi „verarmen“, wenn man den Raum stark einschränkt. Dadurch ließen sich winzige Goldpartikel ohne jede Energiezufuhr zwischen zwei Oberflächen berührungslos festhalten.
Gedankenlesen, Hirnscans und ein Gravimeter
Dass Physik auch für die Hirnforschung nützlich ist, belegen zwei weitere Highlights des Jahres 2019. So haben mehrere Forschergruppen inzwischen Systeme entwickelt, die die Gedanken eines Menschen in hörbare und verständliche Sprache übersetzen können. Ein neuronales Netzwerk wertet dabei die sprachtypischen Hirnsignale aus und wandelt sie in akustische Signale um. Solche Systeme könnten eines Tages Menschen mit Lähmungen wie bei ALS oder nach einem Schlaganfall die Sprache zurückgeben.
Ein weiteres Werkzeug für tiefer Blicke ins Gehirn ist das erste mobile Magnetenzephalografie-Gerät. Wie ein Fahrradhelm tragbar, kann dieser Scanner die Hirnaktivität seiner Träger während alltäglicher Aktivitäten aufzeichnen. Das ist besonders hilfreich, wenn Kinder auf diese Weise untersucht werden sollen – denn ihnen fehlt die Geduld, still in einem klassischen Hirnscanner zu liegen.
Abgerundet werden die Physik-Top-Ten des Jahres durch ein kompaktes Gravimeter – eine auf Quanteneffekten basierendes Instrument zur Messung der lokalen Schwerkraft. Als Messhilfe nutzten die Forscher dafür Atome, die in einer optischen Falle in der Schwebe gehalten werden und an denen sich die Wirkung der Gravitation messen lässt.
Quelle: Physics World