Glühendheißer „Schnee“: An der Grenze zwischen dem äußeren und inneren Erdkern schneit es – es fallen Flocken aus kristallinem Eisen. Dieser Eisenschnee türmt sich stellenweise mehr als 300 Kilometer hoch auf und bildet eine halbfeste, flockige Übergangsschicht, wie ein auf seismischen Daten beruhendes Modell nahelegt. Diese Schicht könnte erklären, warum Bebenwellen in dieser Zone stärker abgebremst werden als sie dürften.
Der Kern unseres Planeten gibt noch immer Rätsel auf. Klar ist zwar, dass der innere Kern fest ist und der äußere flüssig und dass beide aus Eisen mit ein wenig Nickel bestehen. Doch weder die Wärmeleitfähigkeit noch das Alter des festen Kerns sind eindeutig bestimmt und auch die für das Magnetfeld wichtigen Strömungen im äußeren Erdkern sind nicht vollständig kartiert. Zudem scheint die Grenze zwischen beiden Kernteilen zu wandern – an einigen Stellen schmilzt sie, an anderen wächst sie.
„Schneeflocken“ aus einer Eisenlegierung
Eine weitere überraschende Eigenheit des Erdkerns haben nun Youjun Zhang von der Sechuan Universität in China und seine Kollegen aufgedeckt. Sie hatten mithilfe seismischer Daten und eines geophysikalischen Modells untersucht, warum Erdbebenwellen in den unteren 280 Kilometern des äußeren Kerns stärker abgebremst werden als sie eigentlich dürften. Zudem unterscheidet sich das Wellentempo in dieser Zone zwischen westlicher und östlicher Hemisphäre.
Die verblüffende Erklärung dafür: Offenbar fällt an der Grenze vom äußeren zum inneren Erdkern eine Art „Schnee“. Dieser besteht aus kristallinen Flocken einer Eisenlegierung. „Es ist eine bizarre Vorstellung: Da gibt es Kristalle im äußeren Kern, die aus mehreren hundert Kilometern Höhe auf den inneren Kern herunterrieseln“, sagt Koautor Nick Dygert von der University of Texas in Austin. Rund 15 Prozent des Materials im unteren Bereich des äußeren Erdkerns könnte aus diesem Eisenschnee bestehen.
Bis zu 300 Kilometer hohe „Schneehaufen“
Der Eisenschnee bildet an der Grenze vom inneren zum äußeren Erdkern eine halb matschige, halb fluffige Übergangsschicht – vergleichbar einer unregelmäßigen Schneedecke an der Erdoberfläche. Allerdings türmen sich diese heißen, eisenhalteigen Schneehaufen im Erdkern bis zu 310 Kilometer hoch auf, wie die Forscher erklären. „Die Oberfläche des inneren Erdkerns ist nicht einfach eine glatte Grenze“, betont Zhang.
Nach Ansicht der Forscher liefert diese „Schneeschicht“ die bisher beste Erklärung für das seltsame Verhalten der Erdbebenwellen im Erdkern. Die unregelmäßige, halb feste, halb flüssige Struktur dieser Übergangszone bremst die seismischen Wellen ab. Gleichzeitig sorgen die in der Ost- und Westhälfte unterschiedlich hoch auftürmten „Schneehaufen“ dafür, dass es hemisphärische Diskrepanzen gibt. (JGR Solid Earth, 2019; doi: 10.1029/2019JB017792)
Quelle: University of Texas at Austin