Zoologie

Nachbarschaftshilfe unter Papageien

Graupapageien erweisen sich als überraschend uneigennützige Helfer

Hilfe unter Papageien
Uneigennützige Hilfsbereitschaft: Weil er sie selbst nicht eintauschen kann, gibt dieser Graupapagei seine Futtermarken an den Nachbarn ab. (Anastasia Krasheninnikova/ MPI für Ornithologie)

Großzügige Helfer: Graupapageien verhelfen ihren Artgenossen selbst dann zu Futter, wenn sie selbst nichts davon abbekommen – ein erstaunlich soziales Verhalten. Denn wie ein Experiment belegt, zeigen die Vögel diese „Nachbarschaftshilfe“ spontan und ohne sofortige Gegenleistung. Ein solches selbstlos-prosoziales Verhalten war bisher nur von Primaten bekannt, nicht aber von Vögeln, wie Forscherinnen im Fachmagazin „Current Biology“ berichten.

Papageien und Krähen sind echte „Schlaumeier“ unter den Vögeln: Sie beherrschen die Kunst der Werkzeugherstellung, verstehen kausale Zusammenhänge, planen vorausschauend und können sogar komplizierte Schlösser knacken, wie Experimente belegen. Zudem teilen sie Futter mit Artgenossen und können voneinander lernen. Das Besondere daran: All diese Geistesleistungen vollbringen die Vögel, obwohl sie im Gegensatz zu Säugetieren keine Großhirnrinde besitzen.

Graupapageien im Test
Der Test: Ein Papagei bekommt Wertmarken, kann sie aber wegen der versperrten Öffnung seiner Kammer nicht selbst gegen Futter eintauschen – was wird er tun? © Anastasia Krasheninnikova / MPI für Ornithologie

Tauschhandel mit „Wertmarken“

Jetzt enthüllt ein Experiment eine weitere, überraschende Geistesleistung von Vögeln. Désirée Brucks und Auguste von Bayern vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen haben dabei die Hilfsbereitschaft von Graupapageien auf die Probe gestellt. Dafür wurden zwei Papageien in angrenzende Versuchskammern gesetzt. Die Vögel hatten zuvor gelernt, dass sie „Wertmarken“ in Form runder Metallringe bei den Forschern gegen eine Futterbelohnung eintauschen konnten.

Nun folgte der eigentliche Test: Einer der beiden Papageien bekam einige Wertmarken, konnte sie aber nicht eintauschen, weil die dafür vorgesehene Öffnung versperrt war. Die „Tauschöffnung“ seines Artgenossen aber war offen, ebenso eine Öffnung zwischen den beiden Kammern der Papageien. Zudem konnte der Papagei erkennen, dass sein Nachbar keine Wertmarken besaß. Wie würde sich der Vogel in dieser Situation verhalten?

Spontane Nachbarschaftshilfe

Das überraschende Ergebnis: Der „blockierte“ Papagei behielt die Wertmarken nicht für sich, sondern übergab sie seinem Nachbarn, der sie dann umgehend in Futter eintauschte. „Es überraschte uns, dass sieben von acht Graupapageien ihren Partnern spontan die Wertmarken übergaben – schon im ersten Testdurchgang“, berichtet von Bayern. Die Vögel nahmen dabei im Kauf, dadurch selbst nun weniger oder keine Wertmarken mehr zu besitzen.

Dennoch teilten die Papageien, ohne zu wissen, ob sich ihr Artgenosse dafür revanchieren würde. „Die Papageien halfen, ohne dass sie unmittelbare Vorteile davon hatten und scheinbar ohne eine Gegenleistung zu erwarten“, so von Bayern. Dabei geschah diese Hilfe aber keineswegs ungezielt oder zufällig: Die Graupapageien gaben nur dann ihre Wertmarken ab, wenn sie sahen, dass die Tauschöffnung ihres Nachbarn offen war und dieser somit Futter erwerben konnte.

So helfen Graupapageien ihrem Nachbarn.© Max-Planck-Gesellschaft

Erster Nachweis dieses prosozialen Verhaltens bei Vögeln

Nach Ansicht der Forscherinnen belegt dieses Experiment, dass Graupapageien zu selbstlosem, prosozialem Verhalten fähig sind. Sie helfen Artgenossen selbst dann, wenn sie selbst nicht unmittelbar davon profitieren. „Dies ist die erste Studie, die eine solche Form des freiwilligen prosozialen Verhaltens bei einem Nicht-Säugetier demonstriert, so Brucks und von Bayern. Bisher war so etwas nur von Primaten und Delfinen bekannt.

Ein Grund für die ausgeprägt altruistische Ader der Graupapageien könnte ihre Lebensweise sein: Die Vögel bleiben lebenslang mit ihrem Partner zusammen. „Wenn man so eng mit seinem Partner verbunden ist wie die Papageien, kommt es nicht darauf an, ob der andere einmal besser davonkommt“, erklärt von Bayern. „Was zählt, ist auf Dauer gemeinsam mehr zu erreichen als allein, und gemeinsam Junge aufzuziehen.“ Tatsächlich war die Hilfsbereitschaft der Vögel besonders ausgeprägt, wenn sie ihren Nachbarn näher kannten.

Wie sieht es bei anderen Papageien aus?

Unklar ist allerdings noch, wie verbreitet diese Hilfsbereitschaft innerhalb der Papageien ist. Denn ein ergänzender Versuch mit Blaukopfaras zeigte, dass diese Papageienart deutlich weniger prosozial reagiert: Diese Vögel gaben fast nie Wertmarken an ihre bedürftigen Nachbarn weiter, wie Brucks und von Bayern berichten. Möglicherweise, so mutmaßen sie, hängt dies mit übergeordneten Unterschieden im Sozialverhalten und der Lebensweise dieser Vögel zusammen.

Weitere Untersuchungen müssen nun zeigen, wie sich die restlichen knapp 400 Papageienarten in vergleichbaren Situationen verhalten und ob auch in anderen Vogelgruppen eine solche Hilfsbereitschaft zeigen. In jedem Fall aber haben die Graupapageien wieder einmal demonstriert, dass Vögel trotz ihrer vermeintlich primitiveren Hirnstruktur durchaus zu höheren Geistesleistungen und komplexem Sozialverhalten fähig sind. (Current Biology, 2020; doi: 10.1016/j.cub.2019.11.030)

Quelle: Max-Planck-Institut für Ornithologie

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