Grüne Methusalems: Ginkgos können über 1.000 Jahre alt werden – wie den Bäumen das gelingt, haben Forscher nun herausgefunden. Demnach unterbinden alte Ginkgos in den für das Überleben wichtigen Geweben die Zellalterung. Zum anderen bewahren sie sich bis ins hohe Alter hinein eine erstaunliche Widerstandsfähigkeit. Auf diese Weise können auch Baumsenioren schädlichen Umwelteinflüssen wie Krankheitserregern oder Trockenheit trotzen und bleiben trotz zunehmendem Alter gesund.
Bäume gehören zu den ältesten Lebewesen auf unserem Planeten: Manche von ihnen werden problemlos hunderte oder gar tausende Jahre alt. Auf unserem Kontinent sind es vor allem Nadelbäume wie Fichten und Kiefern, die für ihre Langlebigkeit bekannt sind. In Afrika gehören die Affenbrotbäume zu den uralten Vertretern der Pflanzenwelt. Und ein echter Methusalem mit asiatischen Wurzeln ist der Ginkgo (Ginkgo biloba).
Diese ursprünglich in China heimische Baumart wird heute weltweit angepflanzt und kann mehr als 1.000 Jahre alt werden – manche Exemplare werden gar auf ein Alter von über 3.000 Jahren geschätzt. Doch was ist das Geheimnis dieser alten Pflanzen? „Welche molekularen und metabolischen Mechanismen der langen Lebensspanne von Bäumen zugrunde liegen, ist bisher weitestgehend unklar“, erklären Forscher um Li Wang von der Universität Yangzhou in China.
Ginkgos als Probanden
Um dem Geheimnis langlebiger Bäume wie den Ginkgos auf die Spur zu kommen, haben die Wissenschaftler nun gesunde Exemplare dieser Baumart untersucht. Zu ihren pflanzlichen Probanden gehörten dabei junge und alte Vertreter, die bis zu 667 Jahre auf dem Buckel hatten. Ihre Analysen unter anderem der Wachstumsringe enthüllten Überraschendes: Selbst nach mehreren hundert Jahren wuchsen die Bäume nicht signifikant langsamer als in jungen Jahren. Auch ihre Photosynthesefähigkeit, die Blattgröße und die Qualität der Samen veränderten sich mit zunehmendem Alter kaum.
In einem nächsten Schritt schaute sich das Forscherteam daher das Erbgut der Bäume an: Würde die Genaktivität in Blättern und Kambium Hinweise auf die Grundlagen dieses erstaunlichen Phänomens liefern? Das Kambium ist die Wachstumsschicht zwischen Holz und Rinde. Sie besteht aus Stammzellen und ist für die Entwicklung neuen Gewebes wichtig.
Gewappnet vor der Seneszenz?
Konkret untersuchten Wang und ihre Kollegen bei ihren Genanalysen RNA und microRNA – bei letzterem handelt es sich um kurzkettige RNA-Moleküle, die die Genexpression regulieren und bestimmte DNA-Abschnitte an- oder ausschalten können. Dabei zeigte sich: In der Wachstumsschicht der Ginkgos waren mit zunehmendem Alter zwar jene Gene weniger aktiv, die mit Zellteilung und Gewebedifferenzierung assoziiert sind. Alte Ginkgos entwickeln demnach nicht so leicht neues Holz und Rinde wie junge Exemplare.
Trotzdem fanden die Wissenschaftler keine Hinweise auf eine erhöhte Aktivität von Genen, die mit einem entscheidenden Prozess des Alterns zusammenhängen: der zellulären Seneszenz. In diesem Stadium hören die Zellen auf, sich zu teilen – sie wachsen nicht mehr oder sterben ganz ab. Genau dies beobachtete das Team zwar bei alten Blättern. Die Seneszenz-Gene im Kambium waren bei jungen und alten Bäumen hingegen ähnlich aktiv.
Erstaunlich widerstandsfähig
Was bedeutet das? Nach Ansicht der Forscher legen die Ergebnisse nahe, dass einzelne Organe wie die Blätter der Ginkgos durchaus anfällig fürs Altern sind. Die Bäume als Ganzes aber laufen kaum Gefahr, an hohem Alter zu sterben, wie Wang und ihre Kollegen erklären: „Unsere Auswertungen demonstrieren, dass die alten Bäume noch in einem gesunden Zustand sind und sich die Seneszenz auf der Ebene der gesamten Pflanze nicht manifestiert.“
Viel wahrscheinlicher als das Alter sind demnach wohl Krankheiten oder die Folgen extremer Wetterereignisse wie Dürren als Todesursache. Doch auch dagegen sind die Ginkgos offenbar gut gewappnet. Denn selbst im hohen Alter sind sie erstaunlich widerstandsfähig, wie weitere Untersuchungen ergaben.
Gesund bis ins hohe Alter
So stellten die Wissenschaftler fest: Gene, die mit der Resistenz gegenüber Krankheitserregern oder anderen Stressfaktoren verknüpft sind oder die Produktion schützender Verbindungen fördern, waren bei Bäumen aus allen Altersgruppen ähnlich aktiv. Demnach produzieren selbst alte Bäume zum Beispiel noch große Mengen Flavonoide – manche dieser sekundären Pflanzenstoffe fungieren unter anderem als Fraßschutz oder schützen die Bäume vor zu viel UV-Licht.
Alles in allem zeichnet sich damit ab, dass Gingkos und möglicherweise auch andere langlebige Bäume zwei wesentliche Strategien verfolgen: Zum einen vermeiden sie in den entscheidenden Geweben den Alterungsprozess der Seneszenz. Zum anderen bewahren sie sich ein Leben lang eine hohe Widerstandsfähigkeit gegenüber schädlichen Umwelteinflüssen – und bleiben so auch mit zunehmendem Alter gesund. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2020; doi: 10.1073/pnas.1916548117)
Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences