Geowissen

Ur-Magnetfeld ohne Erdkern?

Schon vor 4,2 Milliarden Jahren besaß die Erde ein starkes Magnetfeld

Erdmagnetfeld
Unser Planet hatten offenbar schon kurz nach seiner Entstehung ein Magnetfeld – obwohl es den heutigen Geodynamo damals noch lange nicht gab. © NASA

Alternativer Geodynamo: Unser Planet hatte schon vor 4,2 Milliarden Jahren ein überraschend starkes Magnetfeld, wie nun Einschlüsse in Zirkonkristallen belegen. Damit existierte dieses erste Erdmagnetfeld lange bevor der innere Erdkern fest wurde und der aktuelle Geodynamo seine Arbeit aufnahm. Stattdessen könnten Kristallisationsprozesse im Inneren der jungen Erde das frühe Magnetfeld erzeugt haben, wie die Forscher berichten.

Das Magnetfeld der Erde ist ein wichtiger Schutz gegen den Sonnenwind und harte Strahlung aus dem All. Sein Einfluss könnte dazu beigetragen haben, dass sich auf unserem Planeten Leben entwickeln konnte. Seine Existenz verdankt das heutige Erdmagnetfeld den Strömungen des flüssigen Eisens im äußeren Erdkern um den festen inneren Kern. Unklar ist allerdings, seit wann dieser Geodynamo existiert – und seit wann unser Planet ein Magnetfeld hat.

Zirkonkristall
Der Pfeil zeigt einen der Zirkonkristalle mit den urzeitlichen Magneteinschlüssen im Vergleich mit der Schrift auf einer Münze. © University of Rochester / John Tarduno

Denn jüngsten Studien zufolge könnte der innere Erdkern erst vor gut 550 Millionen Jahren erstarrt sein. Doch Messungen an Gestein aus der Frühzeit der Erdgeschichte deuten darauf hin, dass unser Planet schon vor mehr als drei Milliarden Jahren ein Magnetfeld besessen haben muss. Wie aber ist dies zu erklären?

Urzeit-Magnete im Zirkonkristall

Antworten darauf könnten winzige Zirkonkristalle aus den Jack Hills in Westaustralien liefern. In ihnen hatten John Tarduno von der University of Rochester und sein Team vor kurzem magnetische Einschlüsse entdeckt, die schon gut 4,2 Milliarden Jahre alt sein könnten. Sie wären damit der älteste bekannte Beleg für das Erdmagnetfeld – wenn sich dies bestätigt. Doch einige andere Forscher zweifelten daran. Sie vermuteten, dass die Urzeit-Körnchen nachträglich und erst viel später magnetisiert wurden – beispielsweise durch starkes Erhitzen, Schmelzen und wieder Erstarren.

Jetzt haben Tarduno und sein Team sich 95 dieser Zirkonkristalle mitsamt ihrer Einschlüsse noch einmal vorgenommen. Sie überprüften durch chemische Analysen sowie Mikroanalysen der Mineralstruktur, ob es Indizien für eine nachträgliche Magnetisierung gibt. Zudem ermittelten sie erneut die Magnetisierung der Körnchen und datierten sie mittels Uran-Blei-Datierung.

Magnetfeld schon seit 4,2 Milliarden Jahren

Das Ergebnis: Die winzigen Zirkoneinschlüsse sind tatsächlich bis zu 4,13 Milliarden Jahre alt – und schon diese Körnchen tragen eine deutliche Magnetsignatur, die auch von späteren Umformungen des Gesteins nicht gelöscht oder überprägt wurde, wie die Forscher berichten. Zwar waren die Einschlüsse vor rund 2,64 Milliarden Jahren eine Phase erhöhter Hitze ausgesetzt. Diese hinterließ aber nur zusätzliche, schwache Magnetsignaturen, ohne die ursprüngliche Magnetisierung auszulöschen.

Das Entscheidende jedoch: Die Messungen der Magnetisierung ergaben bei den ältesten Körnchen eine Intensität von 24,5 Mikrotesla – das liegt im Bereich der heutigen Magnetfeldstärke. „Die Intensitäten dieser Magnetsignatur liegen über dem Schwellwert für einen Geodynamo“, berichten die Forscher. Demnach besaß die Erde offenbar schon kurz nach ihrer Entstehung ein überraschend starkes Magnetfeld – und einen Mechanismus in ihrem Inneren, der dieses Magnetfeld erzeugte.

„Schnee“ aus Magnesiumoxid

Doch wie sah dieser frühe Geodynamo aus? Da unser Planet vor 4,2 Milliarden Jahren noch keinen festen Kern besaß, muss etwas anderes die nötigen Strömungen im leitfähigen Eisen des Kerns verursacht haben. Tarduno und sein Team vermuten, dass der Auslöser dafür die katastrophale Kollision war, die vor rund 4,5 Milliarden Jahren den Erdmond schuf.

Diese Kollision heizte die junge Erde so stark auf, dass in ihrem Inneren Magnesiumoxid trotz seines hohen Schmelzpunkts von rund 2.800 Grad flüssig wurde, wie die Forscher erklären. Dann jedoch kühlte sich die Erde allmählich ab und das Magnesiumoxid kristallisierte wieder aus. Dieser „Schnee“ aus Magnesiumsalz setzte im Erdinneren eine Strömung in Gang, bei der das kühlere Salz in Richtung Erdkern rieselte und dafür wärmere Schmelzen nach oben stiegen.

Erst Konvektion, dann Kerndynamo

Nach Ansicht von Tarduno und seinem Team könnte diese Konvektionsströmung ausgereicht haben, um der jungen Erde ihr erstes Magnetfeld zu verleihen. „Dieses frühe Magnetfeld war extrem wichtig, weil es die Atmosphäre und das Wasser abschirmte, als die Sonnenwinde am stärksten waren“, erklärt Tarduno. „Der Mechanismus dieser Felderzeugung ist wahrscheinlich auch für andere Planeten und Exoplaneten bedeutend.“

Allerdings blieb dieses erste Erdmagnetfeld nicht auf Dauer stabil: Nachdem sich die Konzentrationen des Magnesiumoxids im Inneren ausgeglichen hatten und Nachschub für eine weitere Kristallisation fehlte, ließ auch die Konvektionsströmung nach. Als Folge schwächte sich das Erdmagnetfeld allmählich immer weiter ab. Vor rund 565 Millionen Jahren stand es sogar kurz vor dem Kollaps, wie die Forscher berichten. Doch weil zu diesem Zeitpunkt der innere Erdkern fest wurde, setzte nun der heutige Geodynamo ein – gerade rechtzeitig, um das Erdmagnetfeld zu erhalten.

Mars vor 4 Mrd Jahren
Vor vier Milliarden Jahren könnte auch der Mars ein Ur-Magnetfeld und sogar Ozeane besessen haben. © NASA

Warum erging es dem Mars anders?

„Damit verrät uns diese Forschung auch etwas über die Entstehung von lebensfreundlichen Planeten“, sagt Tarduno. Denn unser Nachbarplanet Mars besaß in seiner Frühzeit ebenfalls ein Magnetfeld und war lebensfreundlich. Doch dann kollabierte sein Feld, bevor sich ein neuer Geodynamo bilden konnte. In der Folge riss der Sonnenwind einen Großteil des nunmehr ungeschützten Wassers und der Marsatmosphäre ins All hinaus.

„Nachdem der Mars einmal seinen Magnetschild verloren hatte, musste er auch sein Wasser verlieren“, sagt Tarduno. „Aber wir wissen noch immer nicht, warum das Marsmagnetfeld so schnell kollabierte.“ Die Wissenschaftler hoffen, durch weitere Forschung herauszufinden, warum die Geschichte des Magnetfelds auf dem Roten Planeten eine so andere Wendung nahm als auf der Erde – und was planetare Magnetfelder auf Dauer stabil macht. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2020; doi: 10.1073/pnas.1916553117)

Quelle: University of Rochester

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