Spektakulärer Fund: Paläontologen haben im Kongo rund 715 bis 810 Millionen Jahre alte Pilzfossilien entdeckt – die ältesten der Welt. Die versteinerten Pilzfäden existierten lange vor den ersten höheren Pflanzen und Tieren. Ihr Fund am Rand einer urzeitlichen Küstenlagune stützt zudem die Annahme, dass Pilze zu den ersten Organismen gehörten, die die Landmassen der Erde besiedelten, wie die Forscher im Fachmagazin „Science Advances“ berichten.
Ob als Schimmel, Spore oder Hutpilz: Pilze gibt es fast überall und in unzähligen Varianten. Sie könnten nach den Tieren sogar die zweitgrößte Organismengruppe auf unserem Planeten sein, wie jüngst eine Studie nahelegte. Trotzdem ist bislang nur ein Bruchteil der Pilzspezies bekannt und auch ihr Ursprung und ihre frühe Entwicklung liegen noch größtenteils im Dunkeln. Denn Pilzfossilien sind rar. Die bisher ältesten sind rund 460 Millionen Jahre alt, die ältesten Relikte von Landpilzen rund 440 Millionen Jahre.
Rund 800 Millionen Jahre alte Pilzfäden
Doch es geht noch älter, wie nun eine Entdeckung von Paläontologen um Steeve Bonneville von der Freien Universität Brüssel belegt. In einer Gesteinsformation im Süden der Demokratischen Republik Kongo haben sie versteinerte Relikte vernetzter Fädchen entdeckt, die einem Pilzmycel auffallend ähnelten. Denn diese Filament-Netzwerke waren ähnlich verzweigt und besaßen auch Zellwände im Inneren der Fäden, wie Elektronenmikroskop-Aufnahmen zeigten.
Das Entscheidende jedoch: Die Fossilien waren in eine Sedimentschicht eingebettet, die schon 715 bis 810 Millionen Jahre alt ist, wie die Forscher berichten. Sollte es sich bei den versteinerten Fäden tatsächlich um Pilze handeln, wären sie die mit Abstand ältesten jemals gefundenen. „Dieser Fund ist mehr als 250 Millionen Jahre älter als alle bisher bekannten Pilzfossilien“, konstatieren die Forscher. Zudem existierte dieser Organismus lange vor den ersten höheren Tieren und Pflanzen.
Chitin belegt die Pilznatur
Aber sind es wirklich Urzeit-Pilze? „Um unzweifelhaft festzustellen, ob es sich bei diesen fädigen Netzwerken um pilzliche oder bakterielle Überreste handelt, ist eine tiefergehende chemische Bestimmung nötig“, erklären Bonneville und seine Kollegen. Ein klares Unterscheidungsmerkmal zwischen Bakterienfäden und Pilzen ist dabei das Biopolymer Chitin. Dieses kommt bei Pilzen und vielen Tieren vor, nicht aber bei prokaryotischen Organismen wie Archaeen oder Bakterien.
„Die Präsenz von Chitin in unseren Filamenten wäre daher ein starkes Argument für ihre Zugehörigkeit zu den Pilzen“, erklären die Forscher. Und tatsächlich: Eine spezielle Färbemethode sowie spektroskopische Analysen bestätigten, dass die äußeren und inneren Wände der fossilen Fäden Chitin enthalten. Nach Ansicht von Bonneville und seinem Team ist damit klar, dass es sich bei diesen Fossilien um Pilze handelt – die ältesten bisher bekannten.
Wegbereiter des Landgangs
Spannend an diesen Urzeitpilzen ist jedoch auch ihr Fundort. Denn sie lebten einst am Rand einer urzeitlichen Küstenlagune. „Die Existenz von Pilzen in diesem Übergangsbereich zwischen Wasser und Land stützt die Annahme, dass sie dabei halfen, die Landflächen der Erde zu besiedeln“, erklären Bonneville und seine Kollegen. Denn gängiger Theorie nach könnten Pilze und Flechten Wegbereiter für die ersten Landpflanzen gewesen sein.
Die Tatsache, dass es schon vor rund 800 Millionen Jahren Pilze in urzeitlichen Uferbereichen gab, bestätigt dieses Szenario nun. Denn während die ersten Pflanzen erst vor rund 500 Millionen Jahren das Land eroberten, waren die Urzeit-Mycelien offenbar schon lange vorher da. „Dies ist eine wichtige Entdeckung, die dazu Anlass gibt, unsere Zeitachse der Evolution der Organismen auf der Erde zu überdenken“, sagt Bonneville. (Science Advances, 2020; doi: 10.1126/sciadv.aax7599)
Quelle: Université Libre de Bruxelles, Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ