Medizin

Resistenzgene in unserem Hausstaub

Hausstaub enthält zahlreiche Gene, die Bakterien immun gegen Antibiotika machen

Hausstaub
In unserem Hausstaub leben nicht nur viele Bakterien, sie tragen auch häufig Antibiotika-Resistenzgene in sich. © Wachiwit/ iStock.com

Verborgene Gefahr? Forscher haben im Hausstaub von Gebäuden 183 verschiedene Resistenzgene nachgewiesen – DNA-Sequenzen, die Bakterien immun gegen Antibiotika machen können. Die meisten der in den Staubmikroben gefundenen Gene verleihen Resistenzen gegen gleich mehrere Antibiotika-Klassen. Zudem liegen 57 von ihnen in mobilen Abschnitten der DNA und können daher leicht zwischen verschiedenen Mikrobenarten ausgetauscht werden, wie die Wissenschaftler im Fachjournal „PloS Pathogens“ berichten.

Weltweit breiten sich resistente Bakterien aus. Diese Mikroben sind gegen eines oder mehrere gängige Antibiotika immun, weil ihr Zellstoffwechsel die Angriffsmechanismen der Medikamente unterläuft. Verantwortlich dafür sind Resistenzgene, die frei zwischen verschiedenen Bakterienarten ausgetauscht werden. Diese Gene und ihre Träger finden sich inzwischen fast überall – in der Arktis, in Seen und Sedimenten, in Nutztieren und sogar in der Stadtluft oder in unserem eigenen Darm.

ARG-Häufigkeit
Relative Häufigkeit verschiedener Resistenzgene im Hausstaub, ausgedrückt in Zahl pro Kilobase pro Million kartierter Genproben. © Maaram et al./ PloS Pathogens, CC-by-sa 4.0

183 verschiedene Resistenzgene

Ob auch im Hausstaub unserer Wohnungen, Büros oder Sportstätten resistente Gene und ihre Träger vorkommen, haben nun Sarah Ben Maamar von der Northwestern University in Evanston und ihre Kollegen untersucht. Für ihre Studie nahmen sie Staubproben in 43 verschiedenen Gebäuden und unterzogen diese einer umfangreichen Genanalyse. Zusätzlich kultivierten sie den Hausstaub auf Nährmedien, um zu sehen, welche Resistenzgene mobil und damit zwischen Mikroben austauschbar waren.

Das Ergebnis: Insgesamt enthielten die Staubproben 183 verschiedene Resistenzgene – einige von diesen fanden sich in fast allen Proben, wie die Forscher berichten. Die identifizierten Gensequenzen können Bakterien gegen 15 verschiedene Antibiotika-Klassen immunisieren, darunter Penicilline, Tetracycline, Cephalosporine, Aminoglycoside und andere. „Dieses Ergebnis bedeutet nicht per se, dass die Antibiotikaresistenzen schlimmer werden, aber es ist ein weiterer Risikofaktor, auf den wir achten müssen“, sagt Maamars Kollegin Erica Hartmann.

Immun gegen gleich mehrere Wirkstoffklassen

Die Analysen ergaben zudem, dass ein Großteil der im Hausstaub nachgewiesenen Resistenzgene seine Träger gleich gegen mehrere Antibiotika-Klassen immun macht – sie werden multiresistent. „Zwei dieser multi-Resistenzgene waren relativ zahlreich und häufig in den Staubproben vertreten“, berichten die Forscher. Diese Gene aktivieren Pumpen in der Bakterienzellwand, die die Antibiotika aus der Zelle befördern, bevor sie ihre Wirkung entfalten können.

Wie die Kulturtests bestätigten, ist eines dieser Resistenzgene typisch für den Darmkeim Escherichia coli, das andere für Bakterien der Gattung Staphylococcus. Diese sind dafür bekannt, als Opportunisten in unseren Wohnumgebungen präsent zu sein, wie Maamar und ihre Kollegen erklären. Einige Vertreter dieser Gattung, darunter der multiresistente Krankenhauskeim MRSA, können jedoch auch schwere Blutvergiftungen hervorrufen.

Mikroben im Hausstaub
Im Haustaub finden sich Mikroben von Mensch und Tier, sowie aus der Umwelt. Über horizontalen Gentransfer können sie Resistenzgene austauschen. © Northwestern University

Mobile Gene erleichtern den Transfer

Doch nicht jedes Resistenzgen bedeutet eine unmittelbare Bedrohung: Viele Resistenzgene sind fest im Erbgut ihres Trägers eingebaut und werden daher nicht zwischen Bakterienarten ausgetauscht. Anders ist dies mit mobilen Gensequenzen – DNA-Abschnitten, die auf Plasmiden oder anderen leicht austauschbaren Erbgutabschnitten liegen. Sie können von harmlosen Mikroben auf Krankheitserreger übergehen und dann der menschlichen Gesundheit gefährlich werden.

Solche mobilen Gene finden sich auch in unserem Hausstaub, wie die Analysen nun belegen. Unter den 183 gefundenen Resistenzgenen identifizierten die Wissenschaftler 57, die potenziell mobil sind. „Man hat schon vermutet, dass dies der Fall sein könnte, aber dies ist das erste Mal, dass solche übertragbaren Gene im Hausstaub nachgewiesen wurden“, sagt Hartmann.

Ist das gefährlich?

Was aber bedeutet dies konkret? Per se sind die Resistenzgene erst einmal nicht gefährlich, wie die Forscher betonen. Denn sie finden sich größtenteils in den völlig harmlosen Mikroben, die Teil unserer normalen Lebensumgebung sind. Heikel wird es erst dann, wenn gleichzeitig Krankheitserreger in der Wohnung präsent sind – beispielsweise, weil jemand akut erkrankt ist oder Keime von einem Arzt- oder Krankenhausbesuch einschleppt.

„Ein Nichtpathogen kann dann den horizontalen Gentransfer nutzen, um einem Krankheitserreger eine Resistenz gegen Antibiotika zu verleihen“, erklärt Hartmann. Dies sei vor allem dann der Fall, wenn die Mikroben unter Stress stehen. „Weil sie selbst damit nicht klarkommen, teilen sie dann Gensequenzen mit Mikroben, die diese Bedingungen vielleicht besser vertragen.“

Die Wissenschaftler raten jedoch dringend davon ab, nun vermehrt antibakterielle Reinigungsmittel zu verwenden. Stattdessen sei es ratsamer, dem Hausstaub einfach mit einem feuchten Tuch zu Leibe zu rücken. Denn Desinfektionsmittel tragen eher noch dazu bei, dass sich Resistenzen verbreiten. (PLOS Pathogens, 2020; doi: 10.1371/journal.ppat.1008211)

Quelle: Northwestern University

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