Nicht sicher: Geplante Behälter für hochradioaktiven Atommüll sind offenbar weniger haltbar als erhofft, wie ein Experiment enthüllt. Demnach führt die Kombination von in Glas oder Keramik eingegossenem Abfall mit dem umhüllenden Stahlbehälter zu einer stark beschleunigten Korrosion. Als Folge wird der Atommüll-Behälter schneller durchlässig als es bisherige Modelle vorsehen, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Materials“ berichten.
Die Suche nach einem geeigneten Endlager für hochradioaktiven Atommüll hält an – weltweit ist bislang kein einziges solches Endlager in Betrieb. Ungeklärt ist daher auch, wo und wie die atomaren Abfälle aus dem Rückbau der Atomkraftwerke entsorgt werden sollen. Gängige Pläne sehen jedoch vor, den Atommüll zunächst mit Glas- oder Keramikzusätzen zu verschmelzen und diese feste Masse in Metallbehältern einzuschließen. Das Ganze soll dann unterirdisch in Gesteinsformationen eingelagert weren.
Das Problem jedoch: Vor allem in Gegenwart von Wasser können die Metallbehälter korrodieren. Chemische Reaktionen lösen dabei das Metall nach und nach auf und erzeugen so Löcher in der Behälterhülle. Gängigen Modellen zufolge könnten die Behälter dadurch schon nach 1.000 bis maximal 10.000 Jahren undicht werden – das ist weit kürzer als die Halbwertszeit vieler hochradioaktiver Nuklide.
Wechselwirkung der Behälterschichten
Doch in künftigen Endlagern könnten Atommüll-Behälter sogar noch weit früher durchlässig werden, wie nun Forscher um Xiaolei Guo von der Ohio State University herausgefunden haben. Sie haben in Experimenten untersucht, wie der Kontakt der für die Atommüll-Lagerung geplanten Glas- und Keramikmaterialien mit den Stahlhüllen der Behälter die Korrosion der Materialien beeinflusst. „Bei den gängigen Lagerkonzepten wird es unweigerlich Kontakt zwischen dem Edelstahlkanister und dem Glas oder Keramik der eingegossenen Abfälle geben“, erklären Guo und sein Team.
Für ihre Studie nutzten die Forscher Blöcke eines standardmäßig für die Atommüll-Lagerung verwendeten Glases sowie zwei verschiedene Keramikvarianten als Modell für den verglasten Atommüll. Auf diesen legten sie ein dickes Blech aus einem Edelstahl, wie er unter anderem für die Endlagerung für US-Atomabfälle geplant ist. Dieses Behältermodell wurde anschließend 30 Tage lang in leicht salzhaltigem Wasser bei 90 Grad aufbewahrt und beprobt.
„Schwere lokalisierte Korrosion“
Das Ergebnis: Schon nach relativ kurzer Zeit setzte eine Korrosion der Materialien ein. Diese fiel jedoch bei den simulierten Atommüllbehältern deutlich stärker aus als für die einzelnen Materialien typisch: „Wenn Edelstahl in engem Kontakt zum Standardglas korrodiert, tritt entlang der Kontaktfläche eine schwere lokalisierte Korrosion auf“, berichten Guo und sein Team. Sogar kleine Risse beobachteten sie an den Kontaktstellen des Glases mit dem Metall.
Nähere Analysen ergaben, dass vor allem die Präsenz von metallischen Eisen und Chrom das Herauslösen der molekularen Glaskomponenten beschleunigt. Dadurch entsteht an den Kontaktflächen ein dünner Film aus gelösten Atomen, der die weitere Korrosion des Glases noch begünstigt, wie die Forscher berichten. Die Korrosion des Edelstahls war dabei zwar leicht verlangsamt, aber nicht genug, um Schäden zu vermeiden.
Selbstbeschleunigender Abbau-Effekt
Ähnliche Effekte zeigten sich auch bei den Keramik-Einschlussmaterialien: Bei Kombination mit Edelstahl beschleunigte sich vor allem die Korrosion des Metalls, wie Guo und sein Team feststellten. „Nach nur 28 Tagen beobachteten wir tiefe Gruben im Edelstahl“, berichten sie. Verantwortlich für diese Korrosion waren vor allem die aus der Keramik freigesetzten Chrom-Ionen. Aber auch in der Keramik trat eine verstärkte lokalisierte Korrosion auf.
„Die Freisetzung von Chrom-Ionen durch diese Grubenerosion des Edelstahls ist selbstbeschleunigend“, erklären die Wissenschaftler. „Sie erzeugt ein extrem aggressives Milieu, das dann auch umgebende Materialien korrodieren lässt – die Korrosion kann dann quasi Amok laufen.“
Gängige Konzepte sind nicht ausreichend
Nach Ansicht der Forscher sprechen ihre Ergebnisse dafür, dass die Anfälligkeit gängiger Atommüll-Behälter für die Korrosion bislang unterschätzt wurde. Denn gängige Modelle berücksichtigen meist nur die Korrosionsraten für die einzelnen Materialien, nicht aber deren Wechselwirkungen. „Die aktuellen Konzepte könnten demnach nicht ausreichend sein, um den hochradioaktiven Atommüll sicher einzuschließen“, sagt Guo.
Das bedeutet, dass Radionuklide aus atomaren Abfällen schneller und leichter in den Untergrund gelangen könnten als bislang angenommen. Ist dann das umschließende Grundgestein nicht dicht, wie bei Granit und Salzstöcken häufig der Fall, könnte dies im schlimmsten Fall auch zur Verseuchung des Grundwassers führen. Die bisherigen Modelle für Atommüll-Behälter müssen daher nach Meinung der Forscher entsprechend überarbeitet werden. (Nature, Materials, 2020; doi: 10.1038/s41563-019-0579-x)
Quelle: Ohio State University