Überraschende Entdeckung: Das auffallende „Herz“ des Pluto ist die entscheidende Triebkraft für seine Winde – und prägt dadurch auch andere Landschaftsformen des Zwergplaneten, wie nun eine Studie enthüllt. Demnach speist der in der herzförmigen Tombaugh Regio ausgasende Stickstoff sowohl lokale Winde als auch globale Höhenströmungen. Diese umkreisen den Zwergplaneten gegen dessen Rotationsrichtung – ein im Sonnensystem wahrscheinlich einmaliges Phänomen.
Seit dem Vorbeiflug der Raumsonde New Horizons am Pluto wissen wir, dass der ferne Zwergplanet alles andere als tot und eintönig ist – im Gegenteil. Pluto überrascht durch hochaufragende Gebirge, geometrische Eisschollen, fließende Gletscher aus gefrorenem Stickstoff und Methan und möglicherweise sogar Eisvulkane und einen subglazialen Ozean. Der eisige Zwergplanet besitzt zudem eine ausgedehnte, aber dünne Atmosphäre aus Stickstoff mit geringen Anteilen von Kohlenmonioxid und Methan.
Helles Herz ist der Motor
Eine noch verblüffendere Eigenheit des Pluto haben nun Forscher um Tanguy Bertrand vom Ames Research Center der NASA aufgedeckt. Sie hatten untersucht, wie die Atmosphärenströmungen und die Landschaft des Zwergplaneten miteinander wechselwirken. Dazu speisten sie Daten der New-Horizons-Raumsonde in ein Wettermodell ein und untersuchten, wie die Landschaftsformen die Winde des Pluto beeinflussen.
Das überraschende Ergebnis: Der Motor der Pluto-Winde ist sein Herz – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn Antrieb und Gasnachschub für Plutos Strömungen liefert die herzförmige Tombaugh Regio. Dieses in Plutoaufnahmen deutlich erkennbare Herz besteht aus hellem Stickstoffeis, das in der flachen linken „Herzhälfte“, der Ebene Sputnik Planitia, mehr als drei Kilometer dick ist. Die rechte Herzhälfte besteht aus Stickstoffgletschern und Hochland.
„Sputnik Planitia könnte für das Klima des Pluto so wichtig sein wie die Ozeane für das Klima der Erde“, sagt Bertrand.
„Herzschlag“ aus verdampfendem Stickstoff
Dieses Herz des Zwergplaneten erwärmt sich tagsüber und gibt dabei aus dem Eis aufsteigendes Stickstoffgas an die Atmosphäre ab. Nachts gefriert ein Teil des Gases wieder und lagert sich auf dem Eis ab. Dadurch wirkt Sputnik Planitia wie ein schlagendes Herz, das regelmnäßig neues Gas in die Atmosphäre des Zwergplaneten pumpt. „Wenn man Sputnik Planitia wegnähme, hätte man diese Zirkulation nicht mehr“, sagt Bertrand. „Als hätte man Pluto sein Herz genommen.“
Das Stickstoffgas, das tagsüber aus Plutos Herz freiwird, strömt zu den Rändern der Sputnik Planitia und wird dort von den hochaufragenden Eisklöppen konzentriert, wie die Forscher herausfanden. Als Folge bildet sich dort eine starke lokale Windströmung, ähnlich wie sie auch auf der Erde entlang von Gebirgen entstehen. Gleichzeitig speisen diese Gase auch eine mehr als vier Kilometer über der Oberfläche liegende Höhenströmung, die den gesamten Zwegplaneten umkreist.
Atmosphäre strömt „falsch herum“
Das Ungewöhnliche daran: Die Winde auf dem Pluto wehen den größten Teil des Jahres nach Westen – und damit entgegen der Rotationsrichtung des Zwergplaneten. Eine solche Retro-Rotation der atmosphärischen Hauptströmungen ist im Sonnensystem nahezu einzigartig, wie Bertrand und seine Kollegen erklären. Nur der Neptunmond Triton könnte eine ähnlich gegenläufige Zirkulation besitzen.
Angetrieben wird diese Westströmung wahrscheinlich durch das ausgasende Stickstoffherz der Tombaugh Regio. Das dort aufsteigende Gas strömt nach Westen und in die Höhe. Ein Teil davon erreicht dabei die kältere Südhalbkugel und friert dort wieder zu Stickstoffeis aus. „Dies führt zu einer allgemeinen Zirkulation, die durch retrograde westwärts wehende Winde charakterisiert ist“, so Berttrand und seine Kollegen.
Dunkle Flecken und eisige Klingen
Diese Winde könnte auch einige auffallende Landschaftsformen auf dem Pluto erklären. So ist das Gebiet südwestlich von Sputnik Planitia von einer meterdicken Schicht aus dunklem, leicht rötlichem Material bedeckt. Dieses könnte aus vom Wind dorthin gewehten organischen Partikeln und Methaneis bestehen, wie die Forscher erklären. Auch der Wechsel hellerer und dunklerer Zonen in Sputnik Planitia selbst könnte durch die Ausgasungen erklärbar sein.
Ein weiteres Phänomen sind die rätselhaften „Riesenklingen“ aus Methaneis in der Hochebene Tartarus Dorsa. Sie könnten ebenfalls durch die atmosphärischen Strömungen entstanden sein. Demnach konzentrieren die vorherrschenden Winde ausgegastes Methan in dieser Region, so dass es dort zu diesen Eisspitzen gefriert. „Unsere Ergebnisse unterstreichen die Tatsache, dass Plutos Atmosphäre und Winde seine Oberfläche formen“, sagt Bertrand.
Nach Ansicht der Forscher demonstrieren diese Beobachtungen, dass der Zwergplanet alles andere als eintönig und tot ist. „Unsere Arbeit bestätigt, dass Plutos Klima trotz seiner gefrorenen Oberfläche und der dünnen Atmosphäre bemerkenswert aktiv ist“, so Bertrand und sein Team. (Journal of Geophysical Research: Planets, 2020; doi: 10.1029/2019JE006120)
Quelle: American Geophysical Union