Medizin

Coronavirus: Was bringt das Screening?

Maßnahmen zur Eindämmung der 2019-nCoV-Epidemie sind nur bedingt wirksam

Ausbreitung 2019-nCoV
Das neue Coronavirus aus Wuhan hat sich inzwischen in 24 Länder ausgebreitet – doch wie lässt sich die Epidemie eindämmen? © DesignCells/ iStock.com

Schwer fassbar: Die Ausbreitung des Coronavirus lässt sich durch Maßnahmen wie Fiebermessen und die Befragung aller Reisenden wahrscheinlich kaum eindämmen, wie neue Studien nahelegen. Denn dieses Screening erfasst selbst im günstigsten Falle nur rund ein Drittel der infizierten Personen, im ungünstigsten Falle nur ein Zehntel. Der Grund dafür sind die relativ lange Inkubationszeit und der teilweise symptomlose Verlauf der Infektion. Der Höhepunkt der Epidemie steht wahrscheinlich noch bevor.

Coronavirus Fälle
Verbreitung und Zahl der weltweiten 2019-nCov-Fälle (Stand 4.2.2020) © WHO

Inzwischen sind knapp 25.000 Fälle von Infektionen mit 2019-nCoV bekannt, gut 425 Menschen sind gestorben – das ist mehr als bei der SARS-Epidemie im Jahr 2002/2003. Sowohl in China als auch in 24 weiteren Ländern sind Menschen erkrankt, in Deutschland sind bislang zwölf Fälle gemeldet. Als Reaktion auf die Ausbreitung des Virus hat China inzwischen 17 Millionenstädte in der Provinz Hubei fast komplett von der Außenwelt abgeriegelt, Veranstaltungen wurden abgesagt, viele Fabriken und Geschäfte sind geschlossen.

Wuhan-Quarantäne kam zu spät

Doch die strengen Quarantäne-Maßnahmen kommen zu spät, wie sowohl die Fallzahlen als auch eine neue Modellstudie bestätigen. Demnach gab es noch vor Beginn der Quarantäne für Wuhan am 22. Januar eine mindestens 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass das Virus sich schon in 128 weitere chinesische Städte ausgebreitet hatte, wie Zhanwei Du von der University of Texas in Austin und sein Team berichten.

In den Metropolen Peking, Schanghai, Guangzhou und Shenzhen gab es der Studie zufolge zu diesem Zeitpunkt schon mindestens einen, wahrscheinlich mehrere unerkannte Coronavirus-Fälle. „Die jetzige Quarantäne kann sicherlich die weitere Ausbreitung des Virus aus Wuhan eindämmen“, so die Forscher. „Aber als sie eingerichtet wurde, hatte sich das neuartige Coronavirus längst in ganz China und Teilen der Welt ausgebreitet.“ Gestützt wird dies durch die Tatsache, dass es inzwischen erkrankte Menschen in jeder chinesischen Provinz und Region gibt.

Höhepunkt der Epidemie steht noch bevor

Bisher gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Epidemie an Schwung verliert. Die Fallzahlen in China und weltweit steigen weiterhin kaum vermindert an. Forscher gehen zudem weiterhin davon aus, dass es eine sehr hohe Dunkelziffer bei den Fällen gibt. Weil eine Infektion mit 2019-nCoV offenbar häufig mild und fast symptomlos verläuft, wird möglicherweise nur eine kleine Minderheit der Patienten überhaupt bei Ärzten oder im Krankenhaus vorstellig.

Die chinesischen Gesundheitsbehörden gehen davon aus, dass der Höhepunkt der Epidemie noch bevorsteht. Nach Angaben von Zhong Nanshan vom nationalen Expertenteam wird der Peak der Coronavirus-Infektionen in zehn Tagen bis zwei Wochen erwartet. Welche Basis diese Annahmen haben, wurde jedoch nicht verlautbart.

Coronavirus-Fälle außerhalb Chinas
2019-nCov-Fälle außerhalb Chinas und Art ihrer Infektion (Stand 4.2.2020) © WHO

Was bringen Fiebermessen und andere Screenings?

Weltweit versuchen Gesundheitsbehörden, die weitere Ausbreitung des Coronavirus durch verschiedene Maßnahmen einzudämmen. Dazu gehört unter anderem das Fiebermessen an Flughäfen, Bahnhöfen und anderen Ankunftsorten Fernreisender, aber auch die Befragung von aus China ankommenden Passagieren. Einige Fluglinien, darunter auch die Lufthansa, haben zudem Direktflugverbindungen nach China vorübergehend ausgesetzt.

Doch was bringen diese Maßnahmen? Dies haben inzwischen mehrere Forschergruppen näher untersucht. Basis dieser Modellstudien ist die Annahme, dass die Zeit von der Infektion bis zur Entwicklung der ersten Symptome bei 2019-nCoV im Schnitt fünf bis sechs Tage dauert. Es sind aber auch einige Fälle bekannt, in denen die Inkubationszeit zwei Wochen betrug. Ebenfalls entscheidend für die Wirksamkeit der Screenings ist der Anteil der fast symptomlos verlaufenden Infektionen. Schätzungen zufolge könnte der Anteil dieser subklinischen Fälle bei 2019-nCoV sehr hoch sein.

Erkennungsquote nur bei neun von 100

Ein Team um Billy Quilty von der London School of Hygiene and Tropical Medicine (LSHTM) kommt zu dem Schluss, dass nur neun von 100 infizierten Reisenden beim Eingangs-Screening nach einem Langstreckenflug erkannt werden. „Die Eingangskontrolle für Flüge aus betroffenen Gebieten scheint eine sinnvolle Maßnahme, um das Einschleppen des Coronavirus zu verhindern“, so Quilty. „Unsere Arbeit unterstreicht aber, dass das thermische Screening nicht jeden Reisenden mit diesem Virus detektieren kann.“

Ein zweites Forscherteam um Katelyn Gostic von der University of Chicago kommt zu ähnlichen Schlüssen. „Selbst unter den besten Bedingungen, wenn nur eine Infektion von 20 symptomlos bleibt und alle Reisenden sowohl durch eine Ausreise-, als auch durch eine Einreisekontrolle gehen, würden im Mittel nur 34 Prozent der Fälle erkannt“, so die Forscher. Geht man von einem höheren Anteil an subklinischen Fällen aus, wäre die Effektivität der Screening-Maßnahmen deutlich geringer: Nur noch einer von zehn Infizierten würde detektiert.

Was hilft?

Nach Ansicht der Forscher bedeutet dies, dass andere Methoden der Epidemie-Prävention zusätzlich nötig sind. Zu diesen kann beispielsweise gehören, dass ankommende Passagiere aufgefordert werden, sich bei später auftretenden Symptomen zu melden und dass nötigenfalls ihre Kontaktdaten erfasst werden. Denn dies erleichtert es im Falle einer Erkrankung, die möglichen Kontaktpersonen zu finden.

„Unsere Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit für Maßnahmen, durch die Reisende und ihre Kontakte im Falle einer Erkrankung auch nachträglich nachverfolgt werden können“, sagen Gostic und ihr Team. Auch eine Quarantäne von aus Hubei einfliegenden Passagieren, wie zuletzt bei den evakuierten Deutschen durchgeführt, kann dazu beitragen, auch Infizierte ohne Krankheitssymptome zu erkennen, bevor sie das Virus unwissentlich weitertragen. (Du et al., preprint; Quilty et al. preprint; Gostic et al. preprint)

Quelle: London School of Hygiene and Tropical Medicine, University of Texas at Austin

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Skelett eines ungeborenee Kindes

So entstehen die Knochen des ungeborenen Kindes

Astronomen entdecken jüngsten Transit-Planet

Mehr Blackouts durch Wind- und Sonnenstrom?

Parkinson: Wenn mehr Dopamin mehr Zittern bedeutet

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Das Supervirus - Influenza, Artschranken und die Angst vor einer Biowaffe aus dem Forschungslabor

Bücher zum Thema

Virus - Die Wiederkehr der Seuchen von Nathan Wolfe

Viren - Grundlagen, Krankheiten, Therapien von Susanne Modrow

Top-Clicks der Woche