Skurrile Nebenwirkung: Die Einnahme von Viagra kann bei einigen Menschen zu ungewöhnlichen Sehstörungen führen. Sie sehen unscharf, blaustichig und sind besonders lichtempfindlich, wie Mediziner berichten. Diese visuellen Nebenwirkungen treten offenbar vor allem bei hohen Dosen des Potenzmittels auf und können bis zu drei Wochen anhalten. Die Mediziner raten daher zu einer geringen Viagra-Dosis bei der Erstanwendung.
Erektionsstörungen können Männern ernsthafte psychische Probleme bereiten, doch seit 1998 schafft der Wirkstoff Sildenafil, besser bekannt unter dem Markennamen Viagra, Abhilfe. Die kleinen blauen Pillen sind heute eines der bekanntesten und meistverkauften Potenzmittel. Eigentlich wurde das Medikament zur Behandlung von Bluthochdruck entwickelt. Doch da es die Blutgefäße weitet und die glatte Muskulatur des Penis entspannt, hilft Sildenafil auch dabei, eine Erektion zu erreichen und zu halten. Die Wirkung hält etwa drei bis fünf Stunden an.
Blauschleier als Nebenwirkung
Im Allgemeinen gilt der Gebrauch von Sildenafil als sicher, obwohl gelegentlich Kopfschmerzen, Magenbeschwerden oder visuelle Wahrnehmungsstörungen wie blaue Schleier im Gesichtsfeld oder gesteigerte Lichtempfindlichkeit als Nebenwirkungen auftreten. Normalerweise verschwinden diese aber innerhalb weniger Stunden wieder.
Doch bei 17 Patienten, die bei Cüneyt Karaarslan vom Krankenhaus Dünyagöz in Adana in Behandlung waren, war dies nicht der Fall. Sie hatten alle das Potenzmittel zum ersten Mal eingenommen und dabei direkt die Höchstdosis von 100 Milligramm bekommen. Zuvor hatten sie nie unter visuellen Störungen gelitten.
Das änderte sich nach der Viagra-Einnahme: Zahlreiche Sehstörungen wie Lichtempfindlichkeit, intensives blaues Sehen, gepaart mit Rot-Grün-Blindheit, abnormal erweiterte Pupillen und verschwommenes Sehen traten auf. Die Beschwerden waren auch noch vorhanden, als die Patienten nach 24 bis 48 Stunden das Krankenhaus besuchten.
Ungewöhnlich langanhaltende Symptome
Die Ärzte führten verschiedene Sehtests bei den Patienten durch und überwachten ihre Symptome im Laufe der Zeit. Von den 17 Patienten hatten drei Probleme mit dem räumlichen Sehen, acht abnorm vergrößerte Pupillen, sechs konnten Kontraste nur noch schwer wahrnehmen, neun waren extrem lichtempfindlich und 13 hatten Probleme beim Farbensehen. Die 13 Patienten litten vor allem unter einem Blaustich ihrer optischen Wahrnehmung, in Kombination mit einer Rot-Grün-Blindheit.
„Viele Männer verwenden nicht verschreibungspflichtige leistungssteigernde Medikamente, um sich bei auftretenden Erektionsstörungen zu helfen“, sagt Karaarslan. „Für die überwiegende Mehrheit der Männer werden alle Nebenwirkungen vorübergehend und mild sein. Ich wollte aber betonen, dass bei einer kleinen Anzahl von Anwendern anhaltende Augen- und Sehprobleme auftreten können“, erklärt der Forscher.
Nur eine Minderheit betroffen
Kurios an dem Fall ist, dass die visuellen Nebenwirkungen bei den Männern ungewöhnlich lange anhielten. Sie waren bis zu 21 Tage nach Einnahme der blauen Pille nachweisbar. Nach Ansicht der Mediziner könnte dies daran liegen, dass diese Männer das Sildenafil langsamer abbauen als normal. Das könnte auch noch Tage später zu einer vergleichsweise hohen Konzentration im Blut führen.
Nach Aussage des Mediziners muss man sich jedoch keine Sorgen machen, wenn man von Erektionsstörungen betroffen und auf die kleinen blauen Pillen angewiesen ist. Diese langanhaltenden Nebenwirkungen scheinen sehr selten zu sein. „Diese Männer nahmen auch die höchste empfohlene Dosis ein. Möglicherweise hätte der Beginn mit einer niedrigeren Dosis zu weniger schweren Nebenwirkungen geführt“, sagt Karaarslan.
Er empfiehlt, in jedem Falle vor der Anwendung von Viagra einen Arzt zu konsultieren. Zudem sei es sinnvoll, nicht gleich mit der Höchstdosis zu beginnen. Empfindliche Menschen können das Medikament auch unter ärztlicher Aufsicht nehmen. (Frontiers in Neurology, 2020, doi: 10.3389/fneur.2020.00067)
Quelle: Frontiers