Kurs auf die Sonne: Um fünf Uhr heute morgen ist die ESA-Raumsonde Solar Orbiter erfolgreich gestartet. Sie ist die erste Sonde, die die Pole unseres Sterns erkunden wird. Ihre Daten könnten entscheidende Informationen über das solare Magnetfeld liefern – und unter anderem die Frage klären, warum sich dieses so häufig umpolt. Der Solar Orbiter wird gemeinsam mit der NASA-Raumsonde Solar Parker Probe arbeiten.
Obwohl unsere Sonne der uns nächste und bestuntersuchte Stern ist, bleiben noch viele Fragen offen. So ist noch immer unklar, wo und wie genau der Sonnenwind und das solare Magnetfeld entstehen und welche Rolle dafür die Polarregionen der Sonne spielen. Bisherige Sonnenmissionen, darunter auch die im Sommer 2018 gestartete Raumsonde Solar Parker Probe, haben zwar erste Einblicke geliefert. Sie alle sehen unseren Stern aber nur von der Seite – sie umkreisen die Sonne auf der äquatorialen Ebene.
Start zur Sonne ist geglückt
Das wird sich nun ändern. Denn die ESA-Raumsonde Solar Orbiter soll die Sonne erstmals auf einer polaren Umlaufbahn umkreisen. Heute früh um 05:03 Uhr unserer Zeit ist die Sonde in Cape Canaveral an Bord einer Atlas V Trägerrakete gestartet. Die ESA meldet, dass sich die Raumsonde seither schon erfolgreich von der Rakete getrennt und ihre Solarsegel ausgebreitet hat. Auch die Kommunikation zum Solar Orbiter ist bereits hergestellt.
Um in eine polare Umlaufbahn um die Sonne einschwenken zu können, wird der Solar Orbiter zunächst Schwung an Erde und Venus holen und sich der Sonne bis Anfang 2021 immer weiter annähern. Dann beginnt die Sonde mit Hilfe von weiteren Venus-Swing-Bys, ihre Flugbahn in elliptische, immer stärker polwärts geneigte Orbits zu wandeln. An ihrem sonnennächsten Punkt wird sie nur noch 42 Millionen Kilometer von der Sonnenoberfläche entfernt sein und in einer um 33 Grad gegen den Äquator geneigten Umlaufbahn kreisen.
„Wir werden erstmals von oben auf die Sonne herabsehen können“, sagt Russell Howard vom Naval Research Laboratory in Washington DC. Damit betrete man echtes Neuland.
Instrumente hinterm Hitzeschild
Für ihre wissenschaftliche Arbeit trägt der Solar Orbiter zehn Instrumente mit sich – vier davon sind sogenannte in situ-Instrumente, die den Sonnenwind und das Magnetfeld vor Ort messen. Sechs weitere Instrumente sind Fernerkundungs-Sensoren, darunter Kameras, die direkt auf die Sonne und ihre Korona blicken. „Dies wird uns beispiellose Einblicke darin geben, wie unser Heimatstern funktioniert“, sagt ESA-Teammitglied Daniel Müller.
Zum Schutz vor der extremen Hitze in Sonnennähe schirmt ein Hitzeschild aus Titan mit Calciumphosphatbeschichtung die Instrumente ab. Diese spähen nur durch kleine Öffnungen in Richtung Stern oder ragen – im Falle der in-situ-Instrumente – seitwärts heraus.
„Eine Raumsonde so nah an der Sonne zu betreiben, ist eine enorme Herausforderung“, sagt Sylvain Lodiot, ESA-Operationsmanager für den Solar Orbiter. „Unser Team muss sicherstellen, dass der Hitzeschild ständig genau auf die Sonne ausgerichtet ist, um Schäden durch die Sonnenstrahlung und Hitze zu vermeiden.“
Rätsel Magnetfeld und Sonnenzyklus
Eines der Hauptziele der Solar-Orbiter-Mission ist es, den Grund für den elf-jährigen Sonnenzyklus aufzuklären. Innerhalb dieses Zyklus wechselt die Sonne vom solaren Maximum mit vielen Sonnenflecken und solaren Ausbrüchen zum Minimum mit relativ ruhiger Aktivität. „Wir verstehen aber noch nicht, warum es gerade elf Jahre sind und warum einige Maxima stärker sind als andere“, erklärt Holly Gilbert von der NASA.
Ebenfalls noch unbekannt ist der Mechanismus, der das solare Magnetfeld antreibt und durch den sich dieses Feld regelmäßig umkehrt. „Aber um das Weltraumwetter vorhersagen zu können, müssen wir ein möglichst akkurates Modell des Magnetfelds der Sonne haben“, sagt Gilbert. „Die Pole sind in diesem Zusammenhang besonders wichtig für uns, denn sie könnten die Antworten liefern.“
„Am Ende der Solar Orbiter Mission werden wir mehr über die verborgenen Kräfte wissen, die das wechselnde Verhalten der Sonne und ihren Einfluss auf unseren Heimatplaneten bestimmen“, sagt Günther Hasinger, wissenschaftlicher Leiter der ESA.
Teamwork mit der Solar Parker Probe
Der Solar Orbiter ist die zweite Raumsonde, die zurzeit in der Nähe der Sonne unterwegs ist. Ihre Daten sollen die Arbeit der bereits 2018 gestarteten NASA-Raumsonde Solar Parker Probe unterstützen und ergänzen. Während die Parker Probe der Sonne weit näher kommt und in die Korona eintaucht, wird der Solar Orbiter zwar weiter entfernt bleiben, dafür aber die Sonne mit mehr Instrumenten und aus seinem speziellen polaren Blickwinkel beobachten.
„In Kombination mit der NASA-Mission werden wir so nie zuvor dagewesenes Wissen über unseren Stern gewinnen“, sagt Thomas Zurbuchen von der NASA.
Quelle: ESA, NASA