Medizin

Parabene fördern kindliches Übergewicht

Vorgeburtliche Belastung mit Kosmetik-Inhaltsstoff erhöht offenbar das Risiko für überflüssige Pfunde

Schwangerschaft
Kommen Ungeborene im Mutterleib vermehrt mit Butylparaben in Kontakt, steigt offenbar ihr Risiko für späteres Übergewicht. © Janulla/ iStock.com

Folgenreiche Belastung im Mutterleib: Nutzen Schwangere Paraben-haltige Kosmetik, könnte das ihrem Nachwuchs schaden. Denn wie eine Studie zeigt, erhöht die vorgeburtliche Belastung mit Butylparaben das Risiko für Übergewicht im Kindesalter. Schuld daran könnten durch das Umwelthormon ausgelöste epigenetische Veränderungen sein. Butylparaben wird häufig in Hautcremes, Make-Up und Co als Konservierungsmittel eingesetzt.

Parabene werden in zahlreichen Alltagsprodukten vor allem als Konservierungsmittel eingesetzt. In letzter Zeit sind diese Verbindungen jedoch zunehmend in die Kritik geraten. Denn Studien legen nahe, dass bestimmte Parabene als sogenannte endokrine Disruptoren wirken. Das bedeutet: Sie verhalten sich hormonähnlich und können daher in den Hormonhaushalt von Mensch und Tier eingreifen. Als Folge kommt es womöglich zu Entwicklungs- und Fortpflanzungsstörungen oder anderen gesundheitlichen Problemen.

Das häufig in Kosmetikprodukten wie Hautcremes, Make-Up und Sonnenmilch enthaltene Butylparaben galt in diesem Zusammenhang lange Zeit als vergleichsweise harmlos. Doch dann deuteten Untersuchungen daraufhin, dass auch diese Paraben-Variante stärker wie ein Hormon wirkt als angenommen.

Belastung in der Schwangerschaft

Aus diesem Grund haben sich Beate Leppert vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig und ihre Kollegen diesem Paraben nun näher gewidmet. Sie wollten wissen: Wirkt sich eine vorgeburtliche Belastung mit Butylparaben auf das spätere Risiko für Übergewicht aus? Schließlich ist von Umwelthormonen wie Bisphenol A bereits bekannt, dass sie schon im Mutterleib die Weichen für überflüssige Pfunde stellen können.

Für ihre Studie werteten die Wissenschaftler zunächst Daten von 629 Mutter-Kind-Paaren aus. Die Mütter wurden während der Schwangerschaft zu ihrem Kosmetikgebrauch befragt, außerdem wurde ihr Urin auf Parabene hin untersucht. Nach der Geburt standen die Kinder im Fokus: Wie würde sich ihr Körpergewicht im Laufe der Jahre entwickeln?

Von der Haut in den Körper

Die Auswertungen ergaben: Viele Frauen nutzten während der Schwangerschaft mindestens ein Kosmetikprodukt, das Parabene enthielt. Dies zeigte sich auch in ihrem Urin: Sie hatten im Vergleich zu Probandinnen, die ausschließlich Paraben-freie Kosmetik verwendeten, erhöhte Konzentrationen dieser Chemikalien in ihrem Harn. Wie das Forscherteam erklärt, können Parabene über die Haut in den Körper gelangen und sind dann auch in Blut und Ausscheidungen nachweisbar.

Das bedeutet aber auch: Dringen Substanzen wie Butylparaben in den Organismus ein, belasten sie im Falle einer Schwangerschaft womöglich das Ungeborene. Doch mit welchen Folgen? Bei ihren Untersuchungen stellten Leppert und ihre Kollegen tatsächlich einen Zusammenhang zwischen der Konzentration von Butylparaben im mütterlichen Urin und dem späteren Körpergewicht der Kinder fest.

Erhöhtes Risiko für Übergewicht

Konkret zeigte sich: Je größer die Belastung mit Butylparaben in der Schwangerschaft gewesen war, desto stärker neigte der Nachwuchs zu Übergewicht in den ersten acht Lebensjahren. Dieser Zusammenhang war bei Mädchen stärker ausgeprägt als bei Jungen, wie die Wissenschaftler feststellten.

Auf der Suche nach einer möglichen Erklärung führten die Forscher in einem nächsten Schritt Experimente mit Mäusen durch. Auch bei den Nagern zeichnete sich ab: Eine Belastung mit Butylparaben während Schwangerschaft und Stillzeit führte vor allem beim weiblichen Mäuse-Nachwuchs dazu, dass die Tiere mehr fraßen und dicker wurden. Ein vermehrter Kontakt mit diesem Paraben im Erwachsenenalter schien sich dagegen nicht auf die Gewichtszunahme auszuwirken.

Veränderungen an Appetitreglern

Das Spannende: Die Paraben-Belastung ging bei den jungen Mäusen nicht nur mit einem erhöhten Risiko für Übergewicht einher, sondern auch mit einer auffälligen epigenetischen Veränderung im Hypothalamus. So waren dort die Gene für den Leptin-Rezeptor und das Prohormon Proopiomelanocortin (POMC) weniger aktiv als normalerweise, wie Untersuchungen enthüllten. Leptin ist als Sättigungshormon bekannt und auch POMC spielt eine wichtige Rolle für die Regulierung des Appetits – diese Regulierung könnte durch die Paraben-Belastung demnach gestört werden.

„Kindliches Übergewicht hat inzwischen weltweit Epidemie-artige Dimensionen erreicht. Endokrine Disruptoren sind ein Beispiel für Umweltfaktoren, die zur Programmierung auf Übergewicht und Adipositas beitragen können – insbesondere in der sensiblen Phase um die Geburt herum“, konstatieren Leppert und ihre Kollegen. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass auch die pränatale Belastung mit Butylparaben die Entwicklung von Übergewicht bei Kindern fördert.“

Geschlechtsunterschied im Blick

Wie die Wissenschaftler betonen, sind natürlich auch andere Einflussfaktoren wie die Ernährung oder die körperliche Aktivität entscheidend für das Körpergewicht im Kindesalter. Doch für die Anfälligkeit für überflüssige Pfunde spielen ihrer Ansicht nach vorgeburtliche Belastungen und ihre Folgen eine signifikante Rolle. In Zukunft wollen Leppert und ihren Kollegen der Wirkung des Butylparabens weiter auf den Grund gehen. Dabei wollen sie auch herausfinden, warum Mädchen offenbar empfindlicher auf dieses Umwelthormon reagieren als Jungen – eine mögliche Erklärung könnten zum Beispiel die unterschiedlichen Konzentrationen von Geschlechtshormonen wie Östrogen sein.

Angesichts ihrer bisherigen Ergebnisse sprechen die Forscher schon jetzt eine klare Empfehlung aus: „Werdende Mütter sollten während der sensiblen Phasen von Schwangerschaft und Stillzeit mit Blick auf die künftige Gesundheit ihre Kindes unbedingt auf parabenfreie Produkte zurückgreifen“, sagt Mitautorin Irina Lehmann. „Viele Kosmetika sind bereits als parabenfrei deklariert, ansonsten hilft der Blick auf die Liste der Inhaltsstoffe oder zum Beispiel die Nutzung der App ToxFox“, so ihr Fazit. (Nature Communications, 2020; doi: 10.1038/s41467-019-14202-1)

Quelle: Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig

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