Psychologie

Fremdsprache: Mein Englisch klingt besser als deins

Sprachschüler überschätzen das Niveau ihrer eigenen Aussprache

Fremdsprachen
Eine Fremdsprache akzentfrei zu sprechen, fällt vielen schwer. © bowie15/ iStock.com

Von wegen akzentfrei: Wer eine Fremdsprache lernt, überschätzt das Niveau seiner eigenen Aussprache mitunter erheblich – und scheint taub für eigene Fehler. Wie Experimente zeigen, finden deutsche Sprachschüler zum Beispiel ihr Englisch meist besser als das anderer, obwohl sie objektiv betrachtet dieselben Aussprachefehler machen. Diese verzerrte Wahrnehmung könnte einer der Gründe sein, warum das akzentfreie Erlernen einer Fremdsprache so schwierig ist.

Menschen, die eine Fremdsprache lernen, kämpfen oft mit der richtigen Aussprache. Der „th“-Fehler der Deutschen beim Englischlernen ist hier ein typisches Beispiel. Die „Senk ju vor träwelling“-Ansage in der Bahn ist zum Klassiker geworden und auch deutsche Muttersprachler lachen darüber. Das Paradoxe: Obwohl sich viele Menschen über solche Aussprachefehler amüsieren und sie folglich hören können, machen sie selbst oft ebenfalls entsprechende Fehler – und können sie trotz jahrelangen Übens nicht abstellen. Wie kommt es dazu?

„Eine mögliche Begründung ist: Die Deutschen, die über andere in diesem Zusammenhang lachen, sind nicht die, die die Fehler machen“, sagen Holger Mitterer von der Universität Malta und seine Kollegen. „Doch es gibt noch eine weitere Erklärung für dieses Akzentparadox. Vielleicht überschätzen Sprachschüler das Niveau ihrer Aussprache im Vergleich zu anderen.“ Anders ausgedrückt: Für die eigenen Aussprachefehler könnten Menschen quasi taub sein.

Wenn Deutsche Englisch sprechen

Um herauszufinden, ob an dieser Theorie etwas dran ist, machten die Wissenschaftler mit 24 weiblichen Probanden den Test. Für die Studie lasen die Teilnehmerinnen zunächst 60 einfache englische Sätze vor wie „The family bought a house“, „The jug is on the shelf“ oder „They heard a funny noise“.

Einige Wochen später bekamen die Probandinnen einzelne aufgenommene Sätze von insgesamt vier Sprechern zu hören – von sich selbst und drei anderen. Dabei sollten sie nach jedem Satz die Aussprache in Form einer Schulnote bewerten. Um zu verhindern, dass die eigenen Sätze erkannt werden, wurden alle Aufnahmen verfremdet und in typisch männliche Stimmen umgewandelt. „Das ist entscheidend. Die Probandinnen sollten sich nicht bewusst sein, dass sie auch ihre eigenen Stimmen hören“, erklärt Mitterer.

Eigene Aussprache überschätzt

Das eindeutige Ergebnis: In allen Fällen bewerteten die Testpersonen sich selbst mit der besten Note, obwohl sie ihre eigene Stimmprobe nicht mehr erkennen konnten. Damit handelt es sich nach Ansicht des Forscherteams um einen klaren Fall von Selbstüberschätzung. „Viele Menschen überschätzen das eigene Niveau ihrer Aussprache“, sagt Mitautorin Eva Reinisch von der Ludwig-Maximilians-Universität München. „Sie finden ihr Englisch in der Regel besser als das anderer Sprachschüler, obwohl sie die gleichen Fehler machen. Wir waren schon überrascht, dass wir dies so deutlich zeigen konnten.“

Wie aber kommt es zu der verzerrten Wahrnehmung? Tatsächlich könnte es für den beobachteten Effekt mehrere Erklärungen geben. Zum einen wissen Forscher aus früheren Studien, dass Akzente, die man gut kennt, einfacher zu verstehen sind. „Unsere eigene Stimme kennen wir gut und finden sie daher gut verständlich“, erklärt Reinisch. „Deswegen finden wir eventuell auch unseren eigenen Akzent gut verständlich und besser als er ist.“

Eine andere Möglichkeit ist der sogenannte „Mere-exposure“-Effekt. Er beschreibt, dass wir Dinge, die wir kennen, als angenehmer einschätzen – und die eigene Aussprache ist etwas, das wir gut kennen.

Problem beim Üben

Unabhängig von den Ursachen hinter diesem Phänomen ist jedoch klar: Die Selbstüberschätzung in Sachen Aussprache kann dem akzentfreien Erlernen einer Fremdsprache erheblich im Weg stehen. Aus diesem Grund sei externes Feedback beim Lernen extrem wichtig, betonen die Wissenschaftler. Denn nur so werden uns unsere Fehler überhaupt bewusst. „Wir können uns nicht verbessern, solange wir denken, dass wir eigentlich schon ganz gut sind“, konstatiert Reinisch. Dann drohe ein Effekt, den die Forscher „Fossilisierung“ nennen: Man glaubt, man habe das Ziel in der Aussprache schon erreicht, obwohl das objektiv betrachtet nicht der Fall ist.

Sprachlehrer sollten ihren Schülern beim Üben daher immer konkrete Rückmeldung zur Aussprache geben. In Zukunft könnten zudem technische Hilfsmittel auf den Akzent achten. So denken die Forscher bereits darüber nach, wie Apps Sprachschüler dabei unterstützen könnten, eine bessere Aussprache zu erreichen. (PLOS One, 2020; doi: 10.1371/journal.pone.0227643)

Quelle: Ludwig-Maximilians-Universität München

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