Besorgniserregende Prognose: Knapp zehn Millionen Menschen sind allein in Europa an Demenz erkrankt – darunter mehr Frauen als Männer, wie neue Schätzungen zeigen. Doch bei diesen Zahlen bleibt es wahrscheinlich nicht. Stattdessen wird es der Prognose zufolge in Zukunft deutlich mehr Betroffene geben. Ihre Zahl könnte sich demnach bis zum Jahr 2050 verdoppeln. Damit stehen den Gesundheitssystemen große Herausforderungen bevor.
Alzheimer ist eine der häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen weltweit. Trotz intensiver Forschungsbemühungen kann all diesen Patienten bisher nur unzureichend geholfen werden. Denn es gibt zwar Medikamente, die den fortschreitenden Hirnschwund etwas bremsen können. Doch heilen lässt sich diese Form der Demenz bislang nicht.
Wie häufig ist Demenz in Europa?
Die Versorgung von Patienten mit Alzheimer und anderen Demenzformen stellt für die Gesundheitssysteme eine große Herausforderung dar. Umso wichtiger ist es zu wissen, mit wie vielen Betroffenen in Zukunft gerechnet werden muss. Auf europäischer Ebene haben Forscher in der Vergangenheit bereits einige Schätzungen dazu veröffentlicht – doch nun war es Zeit für eine Aktualisierung.
Zu diesem Zweck haben Experten der Nichtregierungsorganisation „Alzheimer Europe“ die neuesten Daten zur Prävalenz von Demenzerkrankungen zusammengetragen und ausgewertet. Insgesamt analysierten sie dafür 16 unterschiedliche Studien. Auf Basis dieser Daten kalkulierten sie dann, wie viele Menschen mit Demenz derzeit in Europa leben. Diese Zahlen verglichen sie mit den Ergebnissen früherer Schätzungen wie dem EuroCoDe-Projekt aus dem Jahr 2008.
7,9 Millionen allein in der EU
Die Befunde der Wissenschaftler klingen zunächst positiv: Demenz ist offenbar seltener geworden. So ist die Häufigkeit solcher Leiden bei Männern aller Altersgruppen in den vergangenen zehn Jahren gesunken. Auch bei Frauen zeigte sich im Vergleich zu den Zahlen aus dem EuroCoDe-Projekt ein solcher Rückgang. Leidglich in der Altersgruppe der 75- bis 79-Jährigen scheint sich der Anteil der Erkrankten nicht verringert zu haben – im Gegenteil.
Insgesamt leben den Berechnungen zufolge heute rund 7,9 Millionen Demenz-Patienten in der Europäischen Union. Die zehn weiteren europäischen Mitgliedsstaaten von „Alzheimer Europe“ miteingerechnet – darunter Norwegen, Island und Großbritannien – ergibt sich eine Zahl von 9,8 Millionen Betroffenen. Dabei bestätigt sich auch, dass Demenz eine typische Erkrankung des weiblichen Geschlechts ist: Auf 6,7 Millionen Frauen kommen 3,1 Millionen Männer mit Demenz.
„Zahl wird substanziell steigen“
Nach Ansicht der Forscher werden in Zukunft jedoch immer mehr Menschen mit Demenz leben müssen: Sie gehen davon aus, dass sich die Zahl der Erkrankten in Europa bis 2050 nahezu verdoppeln wird – die Gründe dafür sind das Bevölkerungswachstum und der demografische Wandel, der in vielen europäischen Ländern zu einem steigenden Anteil alter Menschen in der Bevölkerung führt. Demnach würden dann 14,3 Millionen Patienten in der EU und 18,8 Millionen Betroffene im weiter gefassten Euroraum leben. Für Deutschland geht der Report von 2,7 Millionen Patienten im Jahr 2050 aus.
„Es ist schön zu sehen, dass gesündere Lebensweisen, bessere Bildung und weitere Faktoren offenbar dazu beigetragen haben, die Häufigkeit von Demenz zu verringern. Unser Report demonstriert aber auch, dass die Zahl der Betroffenen in den kommenden Jahren substanziell steigen wird“, kommentiert „Alzheimer Europe“-Geschäftsführer Jean Georges.
Noch viele Wissenslücken
Entscheidungsträger sollten sich schon heute auf diese Entwicklung einstellen, wie Georges betont: „Wenn Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen die Betreuung erhalten sollen, die sie brauchen, müssen die Regierungen ihre Gesundheits- und Pflegesysteme darauf einstellen. Dafür sind auch verstärkte Investitionen in die Erforschung von Therapie- und Präventionsmöglichkeiten nötig“, so sein Fazit.
Darüber hinaus betonen die Autoren des Reports, dass viele Aspekte in Bezug auf das Auftreten von Alzheimer bis heute nur unzureichend untersucht sind. So fehlen ihnen zufolge zum Beispiel Zahlen zu jungen Patienten unter 65 Jahren. Auch zur Häufigkeit unterschiedlicher Demenzstadien oder der Prävalenz solcher Leiden bei ethnischen Minderheiten in Europa mangele es an detailliertem Wissen.
Quelle: Alzheimer Europe