Evolution

Unser Fuß ist überraschend anders

Nicht das Längs-, sondern das Quergewölbe verleiht dem menschlichen Fuß seine Stabilität

Menschenfuß
Der aufrechte Gang des Menschen ist einzigartig – und wäre ohne die spezielle Konstruktion unserer Füße nicht möglich. © hobo018/ iStock.com

Verblüffende Entdeckung: Entgegen gängiger Annahme bekommt der menschliche Fuß seine Stabilität primär von seinem Quergewölbe – der seitlichen Krümmung des Mittelfußes. Erst sie sorgt dafür, dass unser Fuß trotz der enormen Belastung beim Abrollen nicht seine Form verliert, wie Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten. Diese Erkenntnis hat nicht nur praktische Bedeutung, sie wirft auch ein ganz neues Licht auf die Evolution des menschlichen Fußes und des aufrechten Gangs.

Fußgewölbe
Gewölbe und Kraftwirkungen am menschlichen Fuß © M. Venkadesan

Unser Fuß ist eine geniale Konstruktion der Natur – und einzigartig für die menschliche Spezies und ihren aufrechten Gang. Während die flachen Füße der Menschenaffen bei jedem Schritt in der Mitte abknicken, bleibt unser Fuß dort steif. Den Grund dafür vermuteten Forscher bisher im Längsgewölbe – der bogenförmigen Wölbung zwischen Ferse und Ballen. Durch ein Geflecht von Sehnen gehalten, stützt dieses Gewölbe den Mittelfuß und verleiht ihm eine elastische Festigkeit – so jedenfalls dachte man.

Krümmungen im Test

Doch das ist noch nicht die ganze Geschichte, wie nun Madhusudhan Venkadesan von der Yale University in New Haven und seine Kollegen herausgefunden haben. Denn der menschliche Fuß besitzt noch ein zweites Gewölbe: das Quergewölbe im Mittelfuß. Und diese bislang biomechanisch kaum untersuchte Komponente ist für die Festigkeit unserer Füße sogar noch viel wichtiger als das Längsgewölbe, wie Experimente enthüllen.

Für ihre Studie nutzten die Forscher zunächst ein virtuelles Modell und einen vereinfachten Nachbau des menschlichen Fußes, um die Beziehung zwischen Krümmung und Steifigkeit des Fußgewölbes zu untersuchen. Venkadesan und sein Team veränderten die Gewölbekrümmung dieser Modelle und ermittelten, welchen senkrecht dazu wirkenden Kräften es standhalten konnte.

Quer ist wichtiger als längs

Das überraschende Ergebnis: Veränderte sich nur die Krümmung des Längsgewölbes, hatte dies entgegen den Erwartungen kaum einen Einfluss auf die Stabilität des Fußes. Anders war dies beim Quergewölbe des Fußmodells: „Wir haben festgestellt, dass Plastikmodelle und Simulationen mit ausgeprägterer Querwölbung schwerer zu biegen sind als flachere“, berichtet Koautor Mahesh Bandi vom Okinawa Institute of Science and Technology.

Dies bestätigten ergänzende Biegetests und Kraftmessungen mit den Füßen von menschlichen Leichen. Wurden die Quersehnen im Mittelfuß durchtrennt, sackte das Quergewölbe ab und damit verlor auch der Fuß seine Stabilität, wie die Forscher feststellten. Ihren Messungen zufolge trägt das Quergewölbe mehr als 40 Prozent zur Fußsteifigkeit bei, das Längsgewölbe dagegen nur rund 23 Prozent.

Gängiges Bild auf den Kopf gestellt

Das bedeutet: Das seit fast einem Jahrhundert gängige Bild unseres Fußes und seiner biomechanischen Funktionsweise ist überholt. Denn statt des Längsgewölbes spielt das Quergewölbe die Hauptrolle für die besondere Stabilität unserer Füße. Die Wissenschaftler vergleichen sein Wirkprinzip mit dem Wölben einer Banknote oder eines Pizzastücks: Drückt man die Seiten leicht nach oben, hängt das Ende nicht herunter, sondern bleibt gerade.

„Das gleiche gilt auch im Fuß“, sagt Venkadesan.“Natürlich ist es dort nicht so einfach wie bei einem Blatt Papier, weil viele andere Gewebe und Strukturen beteiligt sind, aber das Prinzip ist das gleiche.“ Wenn wir unser Gewicht auf die Ballen verlagern, drückt das auflastende Gewicht die Mittelfußknochen auseinander und spannt die Sehnen des Quergewölbes. Dies macht den Mittelfuß steif und sorgt dafür, dass er dem Druck nicht durch Einknicken nachgibt.

Belastung des menschlichen Fußes beim Laufen.© Yale Biomechanics and Control Lab

Neue Sicht auf Vormenschen-Gang

Das könnte auch ein neues Licht auf die Evolution des menschlichen Fußes und den Gang unserer Vorfahren werfen. Denn die Fußabdrücke im afrikanischen Laetoli belegen, dass der Vormensch Australopithecus afarensis schon vor 3,4 Millionen Jahren ähnlich lief wie der moderne Mensch, obwohl diese Spezies kein Längsgewölbe im Fuß besaß. Dafür aber besaß der Australopithecus im Unterschied zu Menschenaffen bereits ein leichtes Quergewölbe, was seinem Fuß die nötige Stabilität für den aufrechten Gang verliehen haben könnte.

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich ein menschenähnliches Quergewölbe schon vor rund 2,5 Millionen Jahren entwickelt haben könnte – 1,5 Millionen Jahren vor der Entstehung der Gattung Homo“, sagt Venkadesan. „Dies könnte ein entscheidender Schritt auf dem Weg zum anatomisch modernen Menschen gewesen sein.“ (Nature, 2020; doi: 10.1038/s41586-020-2053-y)

Quelle: Yale University, Okinawa Institute of Science and Technology

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