Schon im sichtbaren Licht zeigt unsere Galaxie einige überraschende Eigenheiten. Noch bizarrer aber wird es, wenn man die Milchstraße im Röntgenlicht, in Gammastrahlen oder im Radiowellenbereich anschaut. Vor allem in ihrem Zentrum treten dann einige erstaunliche Strukturen zutage.
Die Fermi-Blasen und ihre Schornsteine
Den Anfang machte im Jahr 2010 eine überraschende Beobachtung mit dem Fermi-Gammastrahlen-Teleskop der NASA. Dieses detektierte im Milchstraßenzentrum zwei gigantische Blasen, die jeweils mehr als 25.000 Lichtjahre nach oben und unten aus der Galaxienebene herausragen. Folgestudien enthüllten, dass diese Fermi-Blasen von heißen und kalten Gasen erfüllt sind, die mit der enormen Geschwindigkeit von drei Millionen Kilometern pro Stunde nach außen rasen. Dabei geben sie energiereiche Gamma- und Röntgenstrahlung ab.
Anfang 2019 folgte die nächste Entdeckung: Zwischen diesen Fermi-Blasen und dem galaktischen Zentrum gibt es zwei gewaltige Schornsteine – 500 Lichtjahre lange Zylinder, die senkrecht auf dem Milchstraßenzentrum stehen und starke Röntgenstrahlung aussenden. Den Beobachtungsdaten zufolge enthalten diese Zylinder gasförmiges Plasma, das bis zu acht Millionen Kelvin heiß ist. Sie könnten damit eine Art Bindeglied zwischen dem galaktischen Zentrum und den Fermi-Blasen bilden. „Wir vermuten, dass diese Schornsteine eine Art Abgasventile für die im Zentrum der Galaxie freigesetzte Energie sind“, berichtet Mark Morris von der University of California in Los Angeles.
„Starkes, energiereiches Ereignis“
Aus ihren Beobachtungsdaten schließen die Astronomen, dass sowohl die Fermi-Blasen als auch die Schornsteine vor rund sechs bis neun Millionen Jahren entstanden sein müssen. „Es muss damals ein sehr starkes, energiereiches Ereignis gegeben haben“, sagt Rongmon Bordoloi vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). Ein möglicher Auslöser dafür wäre eine Häufung von Supernovae massereicher Sterne in Milchstraßenzentrum. Ihre Explosionen könnten entsprechend große Mengen an Strahlung und Gasen freisetzen.
Für wahrscheinlicher aber halten die Forscher einen heftigen Ausbruch des zentralen Schwarzen Lochs unserer Galaxie, Sagittarius A*. „Dieser könnte durch den Sturz einer kalten Gaswolke in das Schwarze Loch ausgelöst worden sein“, so Bordoloi. Denn wenn solche Gaswolken oder Sterne dem Schwerkraftgiganten so nahe kommen, dass sie von ihm verschlungen werden, werden große Mengen an Energie in Form von Strahlung und Gasjets frei.
Ausbruch am Schwarzen Loch
Tatsächlich gibt es einige Hinweise darauf, dass Sagittarius A* in der Vergangenheit immer wieder Phasen starker Ausbrüche durchlebt hat. Eine solche Phase könnte auch eine weitere unsichtbare Struktur im Milchstraßenzentrum geschaffen haben: Zwei rund 450 Lichtjahre große Blasen aus Radiostrahlung, die wie die Fermi-Blasen senkrecht auf dem galaktischen Zentrum stehen – aber weit kleiner sind.
„Wir sehen hier möglicherweise eine weniger energiereiche Version des Prozesses, der auch die Fermi-Blasen und ihre Radiostrahlung schuf“, erklären die Forscher. „Wir sehen damit eine neue Manifestation der enormen Ausströme von Materie und Energie, die vom zentralen Schwarzen Loch ausgehen.“ Das letzte „Festmahl“ von Sagittarius A* liegt allerdings schon rund zwei Millionen Jahre zurück, seither ist es eher ruhig – bis auf einige kleinere „Snacks“.