„Unmöglicher“ Ausbruch: Astronomen haben Spuren der energiereichsten Explosion seit dem Urknall entdeckt – eine gewaltige Blase aus Röntgen- und Radiostrahlung im Ophiuchus-Galaxienhaufen. Sie entstand wahrscheinlich, als das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum einer Galaxie explodierte. Das schiere Ausmaß dieses Ausbruchs jedoch verblüfft selbst die Forscher – bislang galt es als unmöglich.
Der Galaxienhaufen Ophiuchus liegt rund 390 Millionen Lichtjahre von uns entfernt und umfasst neben den Galaxien auch energiereiches intergalaktisches Plasma. Im Röntgenlicht strahlt der Cluster dadurch als zweithellste Röntgenquelle am Himmel. Das Zentrum dieses Galaxienhaufens ist durch eine kühlere, dichte Zone in diesem Röntgenlicht zu erkennen.
Rätselhafte Blase
Doch schon vor einigen Jahren entdeckten Astronomen in Aufnahmen des Chandra-Röntgenteleskops etwas Merkwürdiges: Ein Teil des strahlenden Plasmas ist am Rand konkav eingedellt – als wenn dort eine große leere Blase das energiereiche Gas verdrängen würde. Solche Löcher im Plasma können entstehen, wenn beispielsweise das Schwarze Loch in einem aktiven Galaxienkern (AGN) einen Ausbruch durchlebt hat – so viel war bekannt.
Das Problem jedoch: „Um eine solche Kaverne zu erzeugen, wären fünf mal 10<sup>61</sup> Erg an Energie nötig – das ist das Mehrfache dessen, was man von den stärksten bisher bekannten AGN-Ausbrüchen kennt“, erklären Simona Giacintucci vom Naval Research Laboratory in Washington DC und ihre Kollegen. Zudem müsste eine solche Explosion eigentlich das kühle Zentrum des Galaxienhaufens weggefegt haben.
So groß wie 15 Milchstraßen nebeneinander
Was aber konnte dann eine solche Riesenblase hinterlassen haben? Um dem nachzugehen, haben nun Giacintucci und ihr Team die rätselhafte Region noch einmal ins Visier genommen – diesmal mit einer ganzen Batterie leistungsstarker Radioteleskope, darunter den Antennen des Very Large Array in den USA, des Murchison Widefield Array in Australien und des Giant Metrewave Radio Telescope (GMRT) in Indien.
Das überraschende Ergebnis: Die Eindellung des Plasmas entpuppte sich als Teil einer gigantischen Radioquelle, in die 15 Milchstraßen nebeneinander aufgereiht hineinpassen würden. „Die Radiodaten passten in die Röntgendaten wie eine Hand in einen Handschuh“, berichtet Koautor Maxim Markevitch vom Goddard Space Flight Center der NASA. „Dort muss eine Eruption von beispiellosem Ausmaß stattgefunden haben.“
„Ein extremer Ausreißer“
Aus den Details der Radiostrahlung schließen die Astronomen, dass dieser Ausbruch alles bisher Bekannte weit übertroffen haben muss. „Die Blase in Ophiuchus erfordert einen AGN-Ausbruch, der in Bezug auf seine Energie ein extremer Ausreißer ist – er muss Größenordnungen über dem für Galaxiencluster typischen liegen und fünfmal energiereicher als der bisherige Rekordhalter sein“, berichten Giacintucci und ihre Kollegen.
Dennoch scheint die Explosion eines supermassereichen Schwarzen Lochs im Zentrum einer Galaxie die wahrscheinlichste Erklärung zu sein. „Die räumliche Koinzidenz der Röntgenblase und des gigantischen Radiolappens ist erstaunlich und deutet stark darauf hin, dass wir hier das Fossil eines enormen AGN-Ausbruchs gefunden haben“, sagen die Forscher. Koautorin Melanie Johnston-Holitt von der Curtin University ergänzt: „Wir haben schon zuvor Ausbrüche im Zentrum von Galaxien gesehen, aber dieser ist wirklich enorm. Wir wissen nicht, warum er so gigantisch war.“ Die Forscher vermuten aber, dass die Schockwelle dieser Explosion schon mindestens 240 Millionen Jahre durch den Galaxiencluster rast.
Rätsel bleiben
Die Explosion muss aber nicht nur beispiellose Energien freigesetzt haben, sie gibt auch in anderer Hinsicht noch Rätsel auf: Zum einen ist der Galaxienkern, der diesen Ausbruch verursacht haben könnte, inzwischen eher ruhig und besitzt nicht einmal Jets aus Strahlung oder Teilchen. „Allerdings könnte dieser AGN in der Vergangenheit weit aktiver gewesen sein“, betonen die Forscher.
Schon merkwürdiger ist die Tatsache, dass bisher nur eine Explosionsblase gefunden wurde – normalerweise erzeugt ein AGN-Ausbruch symmetrische Jets und Radioblasen beiderseits des Galaxienkerns. „Wir vermuten, dass das Gegenstück in weniger dichtes kosmisches Medium geriet und vollständig verblasst ist“, erklären Giacintucci und ihre Kollegen. Ebenfalls noch unbeantwortet ist die Frage, wie der Kern des Galaxienhaufens eine so extreme Explosion überstanden haben kann. „Es gibt Cluster, deren Zentren von AGN-Ausbrüchen in Stücke gerissen wurden“, sagen die Astronomen. Im Ophiuchus-Cluster war dies aber augenscheinlich nicht der Fall.
Kein Einzelfall?
Ungeachtet dieser noch offenen Fragen halten die Astronomen es für durchaus möglich, dass es im Kosmos noch weitere Exemplare solcher vergangenen Mega-Explosionen geben könnte. „Diese enorme fossile Radioquelle könnte ein frühes Beispiel einer ganz neuen Klasse von Quellen sein, die künftig durch hochsensitive niedrigfrequente Durchmusterungen von Galaxienhaufen aufgespürt werden“, sagen die Wissenschaftler. (The Astrophysical Journal, 2020; doi: )
Quelle: International Centre for Radio Astronomy Research (ICRAR)