Neben den Kampfstoffen, die die Lunge schädigen, wurden im weiteren Verlauf des Ersten Weltkriegs zahlreiche weitere Chemiewaffen eingesetzt, darunter Blutkampfstoffe, die die Sauerstoffzufuhr des Körpers blockierten, Hautkampfstoffe und Nervenkampfstoffe.
Außerdem ging man dazu über, die Kampfstoffe mit spezieller Munition wie Gasgranaten unter den feindlichen Truppen zu verteilen. Damit sie nicht mit normaler Munition verwechselt wurde, kennzeichnete man sie durch farbige Kreuze. Grünkreuz markierte zum Beispiel Lungenkampfstoffe, Gelbkreuz Hautkampfstoffe und so weiter.
Als einzige Schutzmaßnahme gegen die Gasangriffe blieb den Soldaten nur, rechtzeitig ihre Gasmasken aufzuziehen. Um diese unwirksam zu machen, wurden jedoch zunehmend häufig das „Buntschießen“ praktiziert. Dabei schossen die Soldaten Salven mehrerer unterschiedlicher Kampfstoffe auf einmal ab. Vor allem die sogenannte „Maskenbrecher“, die aus Chlor-Arsen-Verbindungen bestanden, konnten von den damaligen Gasmasken nicht gefiltert werden.
Tödlich waren diese „Maskenbrecher“ zwar nicht, allerdings sorgten sie für Übelkeit und Erbrechen. Wenn sich die Soldaten dann deswegen die Gasmaske vom Kopf zogen, waren sie der tödlichen Wirkung anderer chemischer Kampfstoffe wie Senfgas schutzlos ausgesetzt.
Brandwunden durch Senfgas
Das ab 1917 eingesetzte Senfgas oder Schwefellost (C4H8SCl2) wirkte sowohl als Lungen- wie als Hautkampfstoff und verletzte die Soldaten daher auch äußerlich schwer. Grund dafür ist die Bildung hochreaktiver Moleküle, die die Zellen und auch das Erbgut-Molekül DNA angreifen.
Dies führt zu starken Verätzungen der Haut, bei der sich große, schmerzhafte Blasen bilden, die nicht mehr verheilen. Betroffenen Körperteile müssen dann amputiert werden. Auch wenn man einen Senfgas-Angriff überlebt, ist man für den Rest seines Lebens gezeichnet und hat mit den Spätfolgen zu kämpfen. Durch die veränderten DNA-Sequenzen entwickelten Überlebende später häufig Krebs.
Chemische Waffen nicht kriegsentscheidend
Die direkte Wirkung solcher Chemiewaffen war zwar häufig tödlich. Kriegsentscheidend war der Einsatz von Giftgas im Ersten Weltkrieg nach Meinung zahlreicher Wissenschaftshistoriker jedoch nicht, da es nur bei günstiger Witterung eingesetzt werden konnte. Insgesamt wurden „nur“ schätzungsweise 90.000 Soldaten durch chemische Waffen getötet.
Doch auch die Überlebenden solcher Angriffe waren vom Einsatz der chemischen Waffen gezeichnet: Neben den schweren körperlichen Schäden, die sie davontrugen, litten sie häufig unter posttraumatischen Belastungsstörungen.
Verharmlosung der Schäden
Fritz Haber hingegen verharmloste diese Schrecken und schien zumindest zu dieser Zeit nicht besonders von Gewissensbissen geplagt zu sein. Er meinte „dass die Wissenschaft im Frieden der Menschheit dienen sollte, und im Krieg dem Vaterland“. Anders sah dies seine Frau, die Chemikerin Clara Immerwahr: Als Pazifistin konnte sie mit der Schuld, die Haber auf sich geladen hatte, nicht mehr leben und nahm sich im Mai 1915 mit seiner Dienstwaffe das Leben.
Nach dem Ersten Weltkrieg war der Einsatz von Chemiewaffen zwar offiziell durch das Genfer Protokoll von 1925 verboten. Insgeheim wurde aber weitergeforscht, meist als Entwicklung von Insektenvernichtungsmitteln getarnt. Haber selbst war jedoch nicht mehr daran beteiligt: 1933 musste er nach England fliehen – denn er war Jude und hatte daher nach Hitlers Machtergreifung in Deutschland keine Zukunft mehr.