Die Versuche, illegale Biowaffenforschung und -produktion zu verhindern, scheinen bislang nicht gerade von Erfolg gekrönt. Nicht nur der Irak, Russland, China, Nordkorea und andere Staaten, auch Sekten wie Aum Shinriko und vielleicht auch terroristische Organisationen hantieren offenbar mit tödlichen Mikroben herum – völlig unbeeindruckt von bestehenden Konventionen, Reglementierungen oder Kotrollmechanismen.
Doch warum greifen die Maßnahmen nicht? Nach Ansicht von Gigi Kwik und ihren Kollegen vom Johns Hopkins Zentrum für zivile Bioabwehrstrategien ist dafür in erster Linie der „Persephone-Effekt“ verantwortlich: Die moderne Bioforschung hat großes Potenzial sowohl für die „Unterwelt“ als auch für fruchtbare, „gute“ Anwendungen- und die Übergänge sind fließend. Wenn Mediziner gefährliche Bakterien oder Viren im Labor züchten, ihre Gensequenzen analysieren und möglicherweise sogar verändern, kann dies legitim und wichtig sein, um neue Impfstoffe oder Therapien zu entwickeln. Gleichzeitig aber sind dies genau die Arbeitsschritte und Erkenntnisse, die auch Biowaffenforscher nutzen.
Wo also die Grenze ziehen? Behörden und Regierungen drängen auf immer strengere Reglementierung und Überwachung der zivilen mikrobiologischen und medizinischen Forschung. Immerhin stammen auch die Erregerkulturen, auf denen Saddam Husseins Biowaffenprogramm beruht, aus den USA. Der Irak orderte die gefährlichen Pathogene Anfang der 1980er ganz legal bei den Centers of Disease Control in Atlanta (CDC) – für medizinische Forschungszwecke.
Demgegenüber fühlen sich die Wissenschaftler durch schärfere Bestimmungen in ihrer Arbeit behindert, mahnen an, dass eine stärkere Kontrolle auf Kosten der friedlichen Forschung gehe. 2001 wurde in den USA unter dem „Patriot Act“ die Bestimmung erlassen, dass bestimmte Pathogene nur unter strengen Auflagen und zur nachweislich prophylaktischen, protektiven Forschung genutzt werden dürfen. Dies geht vielen Wissenschaftlern bereits zu weit. Sie kritisieren, dass die strengen Auflagen und die damit verbundenen Kosten einen „einfrierenden Effekt“ auch auf die legitime wissenschaftliche Forschung haben könnten.
Gefährliches Können…
Doch auch wenn alle Pathogene unter Verschluss gehalten würden, die Entwicklung von Biowaffen wäre dennoch möglich. Denn durch die Möglichkeiten der genetischen Manipulation können heute auch aus harmlosen Viren oder Bakterien längst maßgeschneiderte biologische Waffen entwickelt werden. Wie einfach dies geht, zeigte ein aufsehenerregendes „Versehen“ im letzten Jahr: Australische Forscher schufen durch den Einbau nur eines Gens unabsichtlich aus einem unschädlichen Mäusepockenvirus eine tödliche, auch den Impfschutz überwindende, neue Virusvariante.
Und selbst die komplette Rekonstruktion von Viren auf der Basis ihres genetischen Materials ist längst Realität: Amerikanische und russische Biowaffenforscher haben auf diese Weise unter anderem Polio-, Ebola- und Influenzaviren im Labor aus einzelnen Genschnipseln synthetisiert.
Gefährliches Wissen…
Doch nicht nur potenziell gefährliche biologische Materialien, auch potenziell gefährliches Wissen soll zukünftig nicht mehr ohne weiteres ausgetauscht werden können – zumindest wenn es nach dem Willen des Weißen Hauses geht. Die Behörde forderte Ende 2002 die amerikanische Gesellschaft für Mikrobiologie dazu auf, in den elf von ihr veröffentlichten Fachjournalen „die Sektionen von Artikeln zu eliminieren, in denen experimentelle Details beschrieben werden, die anderen Laboratorien ein Wiederholen der Experimente (…) ermöglichen sollen.“
Damit allerdings würde eines der wissenschaftlichen Grundprinzipien, die Überprüfbarkeit von Forschungsergebnissen durch Replizierbarkeit zunichte gemacht werden. Entsprechend vehement ist – noch – die Opposition gegen einen solchen Vorschlag. Anfang diesen Jahres will die amerikanische National Academy of Sciences zusammentreffen, um mögliche Kompromisslösungen zu erörtern.
Nach Ansicht von Gigi Kwik und ihren Kollegen vom Johns Hopkins Zentrum für zivile Bioabwehrstrategien können Maßnahmen zur Biosicherheit nur dann funktionieren, wenn sie „bottom-up“ und global angelegt sind. Die Wissenschaftler selbst sind ohnehin die einzigen, die im Einzelfall das Gefährdungspotenzial einer Agenzie einschätzen können, daher müsse eine Kontrolle auch auf ihrer Wachsamkeit und Verantwortung aufgebaut werden. Ob allerdings die Wissenschaftler bereit sind, die Rolle des Wachhunds zu übernehmen, ist mehr als fraglich…