Immer der Nase nach: Mütter finden den Geruch ihres Nachwuchses nicht nur attraktiv, sie können aus ihm womöglich auch interessante Informationen herausriechen. In einem Experiment konnten Frauen erschnüffeln, ob sich ein Kind noch vor der Pubertät befand oder nicht – dabei lagen sie häufiger richtig als nach dem Zufallsprinzip zu erwarten. Dies könnte darauf hindeuten, dass der kindliche Duft eine wichtige Rolle für das mütterliche Verhalten spielt.
Sowohl im Tierreich als auch beim Menschen spielt der Geruch für das Sozialverhalten eine wichtige Rolle. Die individuelle Duftnote verrät unter anderem unser Alter, unseren Gemütszustand und die Konfiguration unseres Immunsystems. Solche duftenden Informationen spielen beispielsweise für die Partnerwahl eine Rolle. Und auch zu der besonderen Beziehung zwischen Mutter und Kind trägt die Nase bei: Frauen können ihren Nachwuchs am Körpergeruch erkennen und finden diesen Duft einfach unwiderstehlich – zumindest bis zur Pubertät.
Der charakteristische Geruch erzeugt ein Gefühl von Vertrautheit und trägt zu einer tiefen Bindung bei. „Darüber hinaus könnte er Informationen vermitteln, die für das mütterliche Verhalten eine Rolle spielen, zum Beispiel über das kindliche Entwicklungsstadium“, erklären Laura Schäfer von der Technischen Universität Dresden und ihre Kollegen. Doch können Mütter wirklich riechen, ob ein Kind noch klein ist oder schon ein Teenager?
Riechtest mit getragener Kleidung
Um dies herauszufinden, haben die Forscher einen Test mit 164 Müttern und 226 Kindern im Alter von null bis 18 Jahren durchgeführt. Dafür sammelten sie zunächst Geruchsproben von den Kindern, indem sie diese eine Nacht in extra dafür zur Verfügung gestellten Stramplern oder T-Shirts schlafen ließen. Außerdem instruierten sie die Kinder oder deren Eltern, zum Waschen nur ein bestimmtes geruchsneutrales Duschgel zu benutzen. Parfums und andere duftende Produkte waren tabu.
Dann folgte das eigentliche Experiment: Jede Mutter bekam insgesamt sechs Duftproben zu schnuppern – darunter eine ihres eigenen Kindes und eine neutrale Probe ohne Körpergeruch. Anschließend sollten sie angeben, ob der Geruch von einem prä- oder postpubertären Kind stammte. Den Pubertätsstatus hatte das Team zuvor nicht nur anhand des Alters, sondern auch mit Hormonmessungen und einem standardisierten Fragebogen bewertet.
Besser als Zufall
Die Ergebnisse enthüllten: Tatsächlich lagen die Mütter häufiger richtig als nach dem Zufallsprinzip zu erwarten. Insgesamt schätzten sie rund 64 Prozent der Fälle korrekt ein. Dies scheint zwar nicht sonderlich viel zu sein. Interessant ist aber, dass die Frauen für Gerüche von Kindern vor der Pubertät überdurchschnittlich empfänglich zu sein schienen.
Bekamen die Mütter eine präpubertäre Probe zu riechen, ordneten sie sie zu 71,6 Prozent richtig als solche ein. Bei einer Geruchsprobe von Teenagern lagen sie dagegen nur in 41,4 Prozent der Fälle korrekt – bei 58,6 Prozent glaubten sie, den Duft eines jüngeren Kindes geschnuppert zu haben. Zudem zeigte sich, dass ihre Trefferquote durchweg bei den Proben höher lag, die dem Entwicklungsstatus ihres eigenen Kindes entsprachen.
Spannend auch: Die Mütter ordneten subjektiv als angenehm empfundene Körperdüfte häufiger jungen Kindern zu, selbst wenn diese von Teenagern stammten.
Wie das Kindchenschema?
Diese Ergebnisse legen nach Ansicht der Wissenschaftler nahe, dass der Körpergeruch zumindest das Potenzial hat, Informationen zum Entwicklungsstadium des Kindes zu vermitteln. Gerade infantile Körpergerüche könnten dabei als ein wichtiges chemisches Signal fungieren, um mütterliche Fürsorge zu fördern. „Während der Kindheit ist der Nachwuchs besonders von den Eltern abhängig“, erklären Schäfer und ihre Kollegen. Vor allem in der frühen Kindheit sei die Betreuung durch Mutter und Vater entscheidend, damit sich das Kind gesund entwickle.
Der kindliche Duft könnte in diesem Zusammenhang ähnlich wie das Kindchenschema wirken: Er trägt dazu bei, dass wir Kinder niedlich finden und ihnen mit Hilfsbereitschaft und Zuneigung begegnen. Tatsächlich zeigen Studien, dass bei Müttern, die den Körpergeruch von Babys riechen, die gleichen Belohnungszentren im Gehirn aktiviert werden wie beim Anblick kindlicher Gesichtszüge. Der Effekt des typisch kindlichen Dufts scheint dabei universal zu wirken. Denn nicht nur Mütter junger Kinder erkannten ihn über Zufallsniveau, wie das Team berichtet.
Viele offene Fragen
Weitere Studien müssen nun herausfinden, unter welchen Bedingungen biologische und soziale Informationen über den Körpergeruch vermittelt werden können – und was die Nase dabei überhaupt wahrnimmt. Hormone, auch das legte die aktuelle Untersuchung nahe, scheinen dabei höchstens eine untergeordnete Rolle zu spielen.
Lüften die Forscher das Geheimnis um den Kindesgeruch, könnten auf dieser Basis eines Tages womöglich auch duftbasierte Therapien entwickelt werden – zum Beispiel für Mütter mit postnatalen Depressionen, die Schwierigkeiten haben, eine tiefe Bindung zu ihrem Baby aufzubauen. (Frontiers in Psychology, 2020; doi: 10.3389/fpsyg.2020.00320)
Quelle: Frontiers