Jede hat ihren eigenen Stil: Honigbienen tanzen offenbar mit Dialekt. Wie Experimente enthüllen, weichen bestimmte Elemente des sogenannten Schwänzeltanzes bei unterschiedlichen Arten voneinander ab. Sogar innerhalb derselben Spezies können sich solche „Mundarten“ herausbilden. Entscheidend ist dabei offenbar der Futtersammelradius der Insektenpopulation.
Die Tanzsprache der Honigbienen ist eine im Tierreich einzigartige Form der Kommunikation. Haben die sozialen Insekten eine Futterquelle ausgemacht, informieren sie ihre Artgenossen im Stock mit dem sogenannten Schwänzeltanz darüber. Dabei vermitteln sie durch ihre Bewegungen nicht nur die Himmelsrichtung und Entfernung. Auch Informationen wie der für das Pollensammeln benötigte Energieaufwand werden beim Tanzen transportiert.
Neben der bei uns heimischen Europäischen Honigbiene (Apis mellifera) nutzen auch die anderen Bienen der Gattung Apis den Schwänzeltanz zum Kommunizieren. Bereits in den 1940er Jahren zeichnete sich jedoch ab, dass sich der Tanzstil zwischen manchen Arten und Unterarten unterscheidet. Hatten die Bienen möglicherweise Tanzdialekte entwickelt?
Wer tanzt wie?
Diese Hypothese wurde später wieder in Zweifel gezogen – das Rätsel um die Schwänzeltanz-Mundarten blieb ungelöst. Um dies zu ändern, haben Patrick Kohl von der Universität Würzburg und seine Kollegen den Honigbienen nun noch einmal genau beim Tanzen zugeschaut.
Für ihre Studie gewöhnten die Forscher drei in Indien heimische Bienenarten an Futterstationen, an denen es Zuckerlösung zu trinken gab, und beobachteten dann deren Tanzverhalten. Konkret untersuchten sie dabei die Tanzstile der Östlichen Honigbiene (Apis cerana), der Zwerghonigbiene (Apis florea) sowie der Riesenhonigbiene (Apis dorsata).
Unterschiedliche Distanzangaben
Die Auswertungen enthüllten: Tatsächlich wich der sogenannte Schwänzellauf bei den Bienen voneinander ab. Bei diesem Teil des Tanzes wackeln die Insekten energisch mit ihrem Hinterleib. Die Richtung des Schwänzellaufs auf der Wabe zeigt die Himmelsrichtung des Zieles im Verhältnis zum Sonnenstand an, die Dauer des Laufs weist die Distanz aus.
„Mit zunehmender Entfernung der Futterquelle vom Stock steigt die Dauer der Schwänzelläufe geradlinig an“, erklärt Kohl. Dieser Anstieg fällt bei den drei beobachteten Bienenarten allerdings unterschiedlich steil aus, wie die Wissenschaftler feststellten. Liegt eine Futterquelle 800 Meter entfernt, legt eine Östliche Honigbiene demnach einen deutlich längeren Lauf hin als eine Zwerghonigbiene und die wiederum zeigt einen längeren Lauf als die Riesenhonigbiene.
Zusammenhang mit Aktionsradius
Das Interessante: Die Länge des Schwänzellaufs steht offenbar in einer negativen Korrelation zum typischen Sammelradius der Bienen. So flogen Östliche Honigbienen etwa bis zu einem Kilometer vom Nest weg. Mit 2,5 Kilometern war der Aktionsradius der Zwerghonigbiene deutlich größer und die Riesenhonigbiene flog sogar noch weiter. Sie legte an die drei Kilometer beim Futtersammeln zurück.
Würde sich dieses Muster auch bei anderen Bienenpopulationen zeigen? Dies überprüften die Forscher mit einem Blick in die wissenschaftliche Literatur. Die Daten unter anderem zu Westlichen Honigbienen aus England und Botswana sowie Östlichen Honigbienen aus Japan bestätigten, dass der Zusammenhang zwischen Sammelradius und Tanzdialekt auch dort galt. Demnach unterscheiden sich die Details des Schwänzeltanzes selbst zwischen Populationen derselben Art.
Lange Tänze wären unpraktisch
„Unsere Ergebnisse belegen, dass es Tanzdialekte sowohl zwischen als auch innerhalb einzelner Honigbienen-Spezies gibt“, konstatieren Kohl und seine Kollegen. Doch wieso haben sich diese Dialekte der Bienen im Laufe der Evolution überhaupt herausgebildet?
Wie schon die Forscher in den 1940er Jahren vermutet das Team praktische Gründe: Honigbienen, die regelmäßig über weite Strecken fliegen, können es sich demnach nicht erlauben, diese Distanzen durch entsprechend langdauernde Schwänzelläufe abzubilden. Denn im Getümmel des Stocks könnten die anderen Biene solche „Marathontänze“ nur noch schwer verfolgen, so die Erklärung.
Evolutionäre Anpassung
„Dies zeigt, dass die Umwelt der Bienen den Schwänzeltanz maßgeblich formt“, schließen die Wissenschaftler. Damit seien die Insekten ein hervorragendes Beispiel dafür, wie sich selbst komplexe Verhaltensweisen als evolutionäre Anpassung an ökologische Faktoren verändern können. (Proceedings of the Royal Society B, 2020; doi: 10.1098/rspb.2020.0190)
Quelle: Royal Society/ Julius-Maximilians-Universität Würzburg