Medizin

Coronavirus: Wie stark trifft es Kinder?

Kinder erkranken weniger, werden aber genauso oft infiziert

Kind Coronavirus
Kinder erkranken deutlich seltener an dem vom Coronavirus ausgelösten Covid-19 - aber warum? © FamVeld/ iStock.com, CDC

Seit Ausbruch der Coronavirus-Epidemie gibt eine Beobachtung Rätsel auf: Kinder scheinen weniger häufig an Covid-19 zu erkranken. Aber warum? Darauf gibt es nun erste Antworten. Demnach werden Kinder genauso leicht angesteckt wie Erwachsene und können daher Überträger des Virus sein. Aber ihr Immunsystem reagiert offenbar anders und deshalb entwickeln sie nur milde Symptome und genesen schneller.

Seit Beginn der Coronavirus-Epidemie sind weltweit knapp 100.000 Menschen erkrankt, rund 3.400 Menschen sind an der vom Virus verursachten Lungenentzündung gestorben. Unter den Todesfällen sind besonders häufig ältere Patienten und Menschen mit Vorerkrankungen und vorgeschädigten Lungen. Mehr als 55.000 der Covid-Fälle haben sich inzwischen aber wieder erholt.

Warum trifft es Kinder weniger stark?

Doch ein Merkmal der Epidemie gibt Medizinern schon länger Rätsel auf: Unter den registrierten Covid-Fällen sind auffällig wenige Kinder. Der bisher größten Fallstudie des chinesischen CDC zufolge waren unter gut 44.000 untersuchten Fällen nur 416 Kinder unter neun Jahren – das entspricht nur rund einem Prozent aller Patienten. Und ältere Kinder zwischen neun und 19 Jahren machten nur 1,2 Prozent der Fälle aus, wie die Forscher berichten.

Hinzu kommt: Wenn Kinder an Covid-19 erkranken, entwickeln sie meist nur sehr milde Symptome -ein wenig Husten, Schnupfen und manchmal Durchfall. In weniger als der Hälfte der Fälle entwickeln die Kinder Fieber, wie eine Untersuchung von 15 betroffenen Kindern in Shenzhen nahelegt. Gleichzeitig zeigten Scans der Lunge, dass es dort durchaus typische Entzündungsanzeichen gibt. Trotzdem verläuft die Infektion mit SARS-CoV-2 bei Kindern ungewöhnlich mild.

Ansteckungsrate genauso hoch wie bei Erwachsenen

Aber warum? Theoretisch sind zwei Erklärungen denkbar: Entweder werden Kinder weniger häufig angesteckt oder aber ihr Körper reagiert anders auf die Infektion als der von Erwachsenen. Welches Szenario zutrifft, haben Qifang Bi von der Johns Hopkins Bloomberg School of Health in Baltimore und seine Kollegen nun näher untersucht. Für ihre Studie analysierten sie 391 Covid-Fälle in Shenzhen und 1,286 engere Kontakte der Erkrankten.

Das Ergebnis: Unter den Kontaktpersonen steckten sich Kinder ähnlich häufig an wie Erwachsene. Bei den Kindern unter zehn Jahren lag die Infektionsrate bei 10,7 Prozent, im allgemeinen Durchschnitt aller Altersgruppen waren es rund 7,9 Prozent, wie Bi und seine Kollegen berichten. Damit war die Übertragung des Virus auf Kinder genauso wahrscheinlich und sogar leicht höher als in den anderen Altersgruppen. „Kinder haben demnach ein genauso hohes Risiko, sich zu infizieren“, sagt Bis Kollege Justin Lessler.

Lunge
Das Coronavirus SARS-CoV-2 befällt vor allem Atemwege und Lunge. © DrMicrobe/ iStock.com

Weniger gefährdet, aber mögliche Überträger

Das aber bedeutet: Kinder sind zwar weniger gefährdet, schwer am Coronavirus zu erkranken. Dafür aber könnten sie besonders effektive Überträger des Erregers SARS-CoV-2 sein. Denn bei anderen Infektionskrankheiten wie der Influenza ist bekannt, dass Kindergärten und Schulen oft Zentren der Übertragung sind. Weil Kinder einander und ihren Eltern besonders nahe kommen, können Viren besonders leicht von ihnen auf andere überspringen.

Allerdings: Wie ansteckend ein mit dem Coronavirus infiziertes Kind ist, das kaum Krankheitssymptome zeigt, ist bislang ungeklärt. „Dies ist eine der noch offenen kritischen Fragen“, sagt Lessler. „Ich selbst habe ein sieben Monate altes und ein sechs Jahres altes Kind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie im Falle einer Infektion das Virus nicht auch an andere weitergeben würden.“

Solange dieser Punkt nicht geklärt ist, halten es Epidemiologen aber für durchaus sinnvoll, Kindergärten und Schulen in Ausbruchsgebieten zu schließen – weniger zum Schutz der Kinder als vielmehr zur Vermeidung einer Virenübertragung auf Angehörige und andere Kontakte. „Kinder sollten in Analysen der Übertragung und bei der Epidemie-Kontrolle unbedingt mit berücksichtigt werden“, so Bi und seine Kollegen.

Haben Kinder eine stärkere unspezifische Abwehr?

Doch warum verläuft die Coronavirus-Infektion bei Kindern weniger schwer als bei Erwachsenen? Bislang haben Forscher darauf keine eindeutige Antwort. Eine mögliche Erklärung wäre, dass das angeborene, unspezifische Immunsystem bei Kindern effektiver arbeitet als bei Erwachsenen. Dies gleicht die Tatsache aus, dass die Immunabwehr kaum Vorerfahrung mit gängigen Erregern hat. Dadurch konnten sie noch keine spezifischen Antikörper gegen sie ausbilden. Zum Ausgleich reagiert daher die unspezifische Abwehr der Kinder stärker.

Gegen ein neues Virus wie SARS-CoV-2 wäre dies ein klarer Vorteil: Weil dieser Erreger erst vor kurzem auf den Menschen übergesprungen ist, können wir Menschen noch keine Antikörper und damit spezifische Abwehr aufgebaut haben. Eine starke allgemeine Reaktion gegen Erreger dagegen kann das Coronavirus trotzdem in Schach halten. Dazu passt, dass sich die Kinder in der aktuellen Studie schneller wieder erholten als die Erwachsenen.

Wie hoch ist die Ansteckungsrate innerhalb eines Haushalts?

Die Studie erhellt noch eine weitere Frage: Wie leicht steckt man zuhause oder unterwegs mit dem Coronavirus an? Auch dazu haben Bi und seine Kollegen erste Anhaltspunkte. In ihrer Studie lag die Infektionsrate bei Kontaktpersonen im gleichen Haushalt bei 14,9 Prozent. Wurden dagegen alle Kontakte, darunter auch enge Freunde, Kollegen oder Mitreisende betrachtet, lag das Risiko einer Übertragung nur bei rund neun Prozent.

„Die Übertragung von SARS-CoV-2 ist demnach zwischen sehr engen Kontakten wie Menschen im gleichen Haushalt, am wahrscheinlichsten“, sagen Bi und sein Team. „Aber selbst in dieser Gruppe wurden weniger als einer von sechs Kontakten infiziert.“ Im Schnitt dauerte es zudem 6,3 Tage, bis die sekundär angesteckten erste Symptome entwickelten. Diese Erkenntnisse können unter anderem dabei helfen, Quarantäne-Maßnahmen zu planen. (medRxiv, doi: 10.1101/2020.03.03.20028423; Zhonghua, doi: 10.3760/cma.j.issn.0578-1310.2020.0007)

Quelle: Nature News, CDC, Pubmed, medRxiv

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