Es ist eine Szene wie aus einem Alptraum: Inmitten einer trügerisch ruhigen Wasserfläche flattert eine Kanadagans heftig mit den Flügeln und versucht verzweifelt, sich in die Luft zu erheben. Neben ihr ergeht es einem Geier kaum besser. Unweit der Vögel kämpft ein Urzeit-Bison darum, sich aus dem Tümpel zu befreien. Doch auch der kräftige, mehr als zwei Meter hohe und vier Meter lange Koloss schafft es nicht: Der zähe, unter der Wasseroberfläche verborgene Asphaltschlamm hält ihn unbarmherzig fest.
Wenn Beute zur Falle wird
Für die im Asphalt gefangenen Tiere beginnt nun ein langsamer, quälender Todeskampf. Die zähe Asphaltmasse lässt sie langsam immer tiefer einsinken, während sie darum kämpfen, sich doch noch zu befreien – vergebens. Stattdessen zieht ihr Todeskampf nun eine weitere Gefahr an: Raubtiere und Aasfresser. Angelockt von den Schreien und dem Geruch der im Asphalttümpel gefangenen Tiere, wittern nun Säbelzahnkatzen, eiszeitliche Kojoten und der kräftige, wolfsähnliche Wildhund Canis dirus leichte Beute.
Ein Teil der Räuber hat Glück: Weil sie sich während der kälteren Nacht oder einer kühleren Wetterperiode auf die Asphalttümpel wagen, ist der Untergrund gerade stabil genug, um sie zu tragen. Sie brechen nicht ein und können sich an der hilflos festsitzenden Beute gütlich tun. Viele andere aber haben nicht so viel Glück: Die scheinbar leichte Beute wird auch für sie zur Todesfalle. Auf jeden größeren, im Asphalt eingeschlossenen Pflanzenfresser kommen dadurch rund ein Dutzend Raubtiere und Aasfresser.
Die Stunde der Aasfresser
Nachdem die Tiere verendet sind, dauert es mehrere Monate, bis ihre Kadaver vollständig im Asphalt eingeschlossen sind. Denn der zähe Schlamm lässt sie nur langsam einsinken. In dieser Zeit nutzen aasfressende Insekten ihre Chance: Vor allem Speckkäfer (Dermestidae) und Schwarzkäfer (Tenebrionidae) fressen nun an den Überresten und legen ihre Eier unter die Haut und in die Knochen der teils mumifizierten Kadaver.
„Vor allem die Fußkochen der Jungtiere sind in ihrem Inneren weich und schwammartig, was den Käferlarven eine ideale Umgebung bietet“, erklärt die Paläontologin Anne Holden vom American Museum of Natural History. „Die Haut der Pflanzenfresser trocknete in der Hitze und Sonne aus und bot nun den Larven dieser Käfer einen subkutanen Lebensraum, der ihnen alles bot, was sie benötigten.“ Die Fraßspuren dieser Aasfresser sind bis heute in vielen Fossilien aus den La Brea Asphaltgruben zu erkennen.
Zeitkapsel der Eiszeit
Mehr als 30.000 Jahre lang – von vor 50.000 bis vor rund 11.000 Jahren – bilden die La Brea Asphalttümpel eine tödliche Falle für die eiszeitliche Tierwelt. Selbst wenn es nur alle paar Jahre vorkommt, dass ein Bison, Kamel oder anderer großer Pflanzenfresser vom Asphalt gefangen wird, reicht dies aus, um im Laufe der Zeit tausende von ihnen in die Tiefen der Asphalttümpel sinken zu lassen. Zusammen mit den Raubtieren und unzähligen kleineren Spezies finden bis zum Ende der Eiszeit Millionen Tiere ihr Ende in La Brea.
Aber auch herabfallende Pflanzenreste und vom Wind eingewehte Pollen werden vom zähen Asphaltschlamm eingeschlossen. Luftdicht umhüllt, überdauern ihre Überreste die folgenden Jahrtausende weitgehend unbeschadet. Während die Eiszeit endet, die letzten Mammuts verschwinden und schließlich die Europäer dieses Küstengebiet Kaliforniens erreichen, bleibt das urzeitliche Erbe im Untergrund verborgen.