Eisige Brocken: Astronomen haben 139 zuvor unbekannte Himmelskörper am Außenrand unseres Sonnensystems entdeckt. Unter diesen sind zahlreiche Kleinplaneten, die doppelt so weit von der Sonne entfernt sind wie Pluto. Den hypothetischen „Planet 9“ haben die Forscher allerdings nicht gefunden. Aufgespürt wurden die transneptunischen Objekte durch den Dark Energy Survey, eine Himmelsdurchmusterung, die den Südhimmel nach lichtschwachen Objekten abtastet.
Jenseits der Umlaufbahn des Planeten Neptun beginnt der Kuipergürtel: eine ringförmige Zone am Außenrand des Sonnensystems, in dem sich unzählige eisiger Brocken tummeln – Überreste aus der Frühzeit des Sonnensystems. Einige dieser Transneptunischen Objekte sind kaum größer als Asteroiden, andere dagegen sind Zwergplaneten wie Pluto, Haumea oder Eris. Viele dieser Zwergplaneten werden von Monden umkreist.
Schwer zu finden
Doch bisher sind erst rund 3.300 Transneptunische Objekte kartiert. Astronomen schätzen aber, dass es allein im Abstand zwischen 30 und 55 Astronomischen Einheiten zehntausende weitere Objekte von mehr als 100 Kilometern Durchmesser geben könnte. Einige vermuten sogar, dass sich dort ein neptungroßer neunter Planet verbergen könnte – die Existenz von „Planet 9“ ist allerdings umstritten.
Das Problem: Die Objekte jenseits des Neptun sind von uns aus gesehen extrem lichtschwach und bewegen sich nur langsam. Das macht es schwer, sie mittels Teleskop aufzuspüren. „Wie viele Transneptunier man finden kann, hängt davon ab, wie groß der Himmelsausschnitt ist und wie dunkel das lichtschwächste Objekt ist, das man gerade noch erkennen kann“, erklärt Gary Bernstein von der University of Pennsylvania in Philadelphia.
Fahndung in sieben Milliarden Datenpunkten
Deshalb haben Bernstein und seine Kollegen nun die Daten einer Himmelsdurchmusterung durchforstet, die dafür besonders gute Voraussetzungen bietet: Der Dark Energy Survey (DES) besitzt eine 520-Megapixel-Kamera, die auf das Abtasten großer Himmelsausschnitte und auf ferne, lichtschwache Objekte spezialisiert ist. Ihr Hauptzweck ist es, anhand ferner Supernovae und Galaxien mehr Aufschluss über die rätselhafte Dunkle Energie zu geben.
Doch mit ihr lassen sich auch Objekte am Außenrand des Sonnensystems aufspüren. Dafür haben die Astronomen DES-Daten aus gut vier Jahren ausgewertet – sie umfassen mehr als sieben Milliarden schwache Lichtpunkte. Aus dieser Liste kamen alle Objekte in die engere Wahl, die in mindestens sechs Nächsten präsent waren und deren Position am Himmel sich in zu verschiedenen Zeiten aufgenommen Bildern unterschied.
In einem weiteren Schritt überprüften die Forscher, ob die Positionsveränderung in den Folgeaufnahmen dem entsprach, was man für einen langsam um die Sonne kreisenden Transneptunier erwarten würde.
139 neue Kleinplaneten
Das Ergebnis: Insgesamt identifizierten die Astronomen 316 Transneptunische Objekte. Unter diesen sind 139 Neuentdeckungen – Kleinplaneten und große Eisbrocken, die zuvor noch nicht bekannt waren. Einige dieser Objekte bewegen sich innerhalb der Umlaufbahn des Pluto, die meisten jedoch sind deutlich weiter entfernt, wie die Forscher berichten. Sieben dieser Transneptunier sind sogar 150 bis 250 Mal so weit von der Sonne entfernt wie die Erde.
Die Funde bestätigen, dass der Kuipergürtel einem abgeflachten Ring gleicht, der auf der Ebene der Planeten liegt: „Wir haben keine Transneptunier mit einer Bahnneigung von mehr als 55 Grad zur Ekliptik gefunden, obwohl der Survey in diesem Bereich sehr sensitiv ist“, sagen Bernstein und seine Kollegen. Rund die Hälfte aller entdeckten Objekte ist allerdings um rund 20 Grad gegenüber der Bahnebene geneigt.
Keine Spur von Planet 9
Eines allerdings haben die Astronomen bei ihrer Durchmusterung nicht gefunden: Hinweise auf den hypothetischen „Planet 9“. Das schließt seine Existenz allerdings nicht aus denn er könnte sich gerade außerhalb des durchsuchten Himmelsausschnitts befinden. Die Forscher wollen als nächstes einen weiteren Suchlauf in den Daten des Dark Energy Survey starten, bei die sie nach noch lichtschwächeren Objekten suchen. Sie schätzen, dass sie dabei bis zu 500 weitere Transneptunier aufspüren könnten.
Ein Vorteil auch: Die von den Forschern entwickelte Methode kann auch auf andere Himmelsdurchmusterungen und Datenkataloge angewendet werden. Dadurch könnten künftig auch Transneptunische Kleinplaneten in anderen Himmelsbereichen gefunden werde. (Astrophysical Journal Supplement Series, 2020; doi: 10.3847/1538-4365/ab6bd8)
Quelle: University of Pennsylvania