Medizin

Coronavirus: Sind Raucher besonders gefährdet?

Nikotin könnte direkt auf die Andockstelle des Virus wirken

Raucher Coronavirus
Haben Raucher ein höheres Risiko für schwere Verläufe von Covid-19? © NIAID, skynesher/iStock.com

Erhöhtes Risiko: Es gibt erste Hinweise darauf, dass Raucher ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe bei Covid-19 haben. Denn neben allgemeinen Lungenschäden durch den Tabakrauch scheint es auch einen direkten Mechanismus zu geben, der dem Coronavirus den Befall erleichtert. Demnach fördert Nikotin die Aktivität und Bildung der Andockstellen, über die SARS-CoV-2 in die Zellen gelangt, wie Forscher berichten.

Die bisherigen Erfahrungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zeigen, dass die von diesem Erreger verursachte Covid-Erkrankung sehr unterschiedlich verlaufen kann. Während Kinder, aber auch die meisten Erwachsenen kaum Symptome zeigen und nur unter leichtem Husten, Kopfschmerzen, Fieber und sehr häufig auch Riechstörungen leiden, erkranken rund 15 bis 20 Prozent der Infizierten schwer. Unter diesen sind vor allem Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen.

Epidemiologische Indizien aus Asien

Doch wie gefährdet sind Raucher? Immerhin ist ihre Lunge durch die Inhaltsstoffe des Tabakrauchs angegriffen und reagiert daher auch auf normale Erkältungen und Atemwegserkrankungen sensibler: „Rauchen ist mit einer höheren Sterblichkeit bei verschiedenen Infektionen mit Atemwegsviren assoziiert, darunter auch bei der saisonalen Influenza“, erklären James Olds und Nadine Kabbani von der George Mason University. Es liege daher nahe, dies auch für SARS-CoV-2 anzunehmen.

Wie aber sehen die epidemiologischen Zahlen dazu aus? Einen ersten Hinweis könnte das Verhältnis von Männern zu Frauen bei den schweren Covid-Fällen geben: In China traf der schwere Verlauf Männer signifikant häufiger als Frauen gleichen Alters und gleicher Konstitution, wie Forscher berichten. Als ein möglicher Grund dafür wird der große Unterschied im Rauchverhalten gesehen: In China rauchen 52 Prozent der Männer, aber nur 2,7 Prozent der Frauen.

„Es ist daher wahrscheinlich, dass der Covid-Geschlechterunterschied den höheren Raucheranteil bei den Männern widerspiegelt“, sagen Olds und Kabbani.

Mehr schwere Verläufe bei Rauchern

Doch es gibt auch erste Studien, die direkt nach einem Zusammenhang zum Rauchen gesucht haben, unter anderem von Wei Liu vom Zentralkrankenhaus in Wuhan und seinen Kollegen. Sie stellten fest, dass Patienten mit einer Vorgeschichte des Rauchens ein rund 13 Prozent höheres Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 haben als Nichtraucher.

Diesen Befund bestätigt auch eine Metastudie von Guiseppe Lippe von der Universität Verona und seinem Team. Allerdings konnten sie bei vier weiteren Studien zu diesem Thema nur einen Trend hin zu schwereren Covid-Verläufen bei Rauchern feststellen, nicht aber einen signifikanten Zusammenhang. Sie kommen daher zu dem Schluss, dass es bislang nicht genügend Belege für ein erhöhtes Risiko für Raucher gibt.

Einfluss von Nikotin auf ACE2-Andockstelle

Das allerdings sehen Olds und Kabbani anders. Denn wie sie berichten, scheint das Rauchen nicht nur allgemein die Lunge zu schwächen – das Nikotin könnte auch direkt die Andockstelle beeinflussen, über die das Coronavirus in die Zellen gelangt. Dieser sogenannte ACE2-Rezeptor bildet die Bindestelle für das virale Spike-Protein – und je mehr dieser Rezeptoren ein Gewebe besitzt, desto anfälliger ist es für den Befall mit SARS-CoV-2.

„Analysen großer RNA- und DNA-Expressions-Datenbanken stützen die Annahme, dass das Rauchen zu einer verstärkten ACE2-Expression in der Lunge führt“, berichten Olds und Kabbani. Dafür scheint der ebenfalls in diesem Gewebe vorhandene Nikotin-Rezeptor eine wichtige Rolle zu spielen. Die Forscher schließen daraus, dass die Lunge von Rauchern dem Coronavirus möglicherweise vermehrt Einfallstore in die Zellen bietet. „Das Rauchen scheint an einem direkten Prozess beteiligt zu sein, der die Covid-19-Infektion und ihren Verlauf beeinflusst“, so die Wissenschaftler.

Ihrer Ansicht nach spricht daher einiges dafür, dass Raucher zur Covid-Risikogruppe gehören. „Diese Personen sind gewissermaßen dazu prädestiniert, weil das Nikotin direkt auf die Andockstelle des Coronavirus wirkt“, konstatieren Olds und Kabbani. (The FEBS Journal, 2020; doi: 10.1111/febs.15303; European Journal of Internal Medicine, 2020; Chinese Medical Journal, 2020; doi: 10.1097/CM9.0000000000000775)

Quelle: Wiley, FEBS Journal, EJIM

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