Sonnensystem

Saturn: Rätsel um polares „Kälteloch“

Die Polarlichtzone des Ringplaneten ist kälter als sie sein dürfte

Saturn in Falschfarben
Diese Falschfarbenaufnahme der NAA-Raumsonde Cassini zeigt die Polarlichter am Südpol des Saturn und die Wärme des Gasriesen. Wie beides zusammenhängt, ist erst in Teilen geklärt. © NASA/JPL, ASI/University of Arizona, University of Leicester

Widerspruch zum Modell: Gängiger Theorie nach heizen die starken Polarlichter des Saturn seine Atmosphäre auf. Doch die Gashülle des Planeten ist ausgerechnet in der Aurora-Zone deutlich kälter als die Modelle vorhersagen, wie nun Auswertungen von Daten der Raumsonde Cassini enthüllen. Wohin die Polarlicht-Energie verschwindet und was dies mit der ohnehin rätselhaften Wärme des Ringplaneten zu tun hat, erklären Forscher nun im Fachmagazin „Nature Astronomy“.

Schon länger rätseln Planetenforscher, woher die beiden Gasriesen Jupiter und Saturn ihre Wärme nehmen. Denn die äußeren Atmosphärenschichten beider Planeten sind mehrere hundert Grad wärmer, als sie sein dürften. Doch die schwache Sonneneinstrahlung oder Zerfallsprozesse im Inneren der Planeten können diese Hitze nicht vollständig erklären.

Aurora SAturn
Liefern die Polarlichter dem Saturn die zusätzliche Wärme? © NASA

„Heizung“ der Gasriesen gibt Rätsel auf

Woher aber kommt die Wärme dann? Einer Hypothese zufolge wirken gewaltige Wirbelstürme wie der Große Rote Fleck des Jupiter als Heizung, indem sie energiereiche Schwerewellen nach oben abgeben. Eine andere Theorie geht davon aus, dass die starken Polarlichter an den Polen der Gasriesen die äußere Atmosphäre aufheizen. Der Haken jedoch: Wie diese Wärmeenergie aus den Polargebieten in die mittleren Breiten und Äquatorregion kommt, ist ungeklärt.

Jetzt könnten Daten der NASA-Raumsonde Cassini diese Frage beantworten. Denn sie hat kurz vor ihrem Verglühen in der Saturnatmosphäre im Herbst 2017 knapp zwei Dutzend extrem nahe Umkreisungen des Ringplaneten vollführt – das „große Finale“. Während dieser Orbits zeichneten Sensoren auf, wie viel Sternenlicht durch die oberen Schichten der Saturn-Gashülle fällt.

Erste globale Karte der Saturn-Thermosphäre

Aus diesen Daten haben Zarah Brown von der University of Arizona und ihre Kollegen nun eine erste Karte der Temperatur und des Drucks in der gesamten Thermosphäre des Saturn erstellt. Diese liefert wertvolle Informationen darüber, wie sich die Wärmeenergie in der Gashülle des Planeten verteilt. In Kombination mit einem Modelle enthüllen sie zudem, welche Rolle Winde dabei spielen.

„Dieser Datensatz erlaubt es uns erstmals, die obere Atmosphäre des Saturn von Pol zu Pol zu betrachten, während wir gleichzeitig auch sehen, wie sich die Temperatur mit der Tiefe verändert“, erklärt Brown. „Denn um die Dynamik richtig zu verstehen, benötigt man einen globalen Blick.“ Gleichzeitig liefern die neuen Daten erste Einblicke in die bislang kaum erforschte Thermosphäre des Saturn.

Kälter als das Modell erlaubt

Das Ergebnis: Die Wärmeverteilung in der äußeren Gashülle des Saturn ist deutlich anders als erwartet. „Die beobachteten Temperaturen in den Polarlichtzonen sind niedriger als es die Modelle vorherhersagen“, berichten Brown und ihre Kollegen. Den Messungen zufolge steigen die Werte vom 30. bis zum 65. Breitengrad von knapp 400 auf 513 Kelvin an. Dann aber fallen sie bis zum 86. Breitengrad auf nur noch 370 Kelvin im Süden und 437 Kelvin im Norden ab.

Das aber bedeutet: Ausgerechnet dort, wo die Auroren die größte Hitze erzeugen müssten, ist die Thermosphäre des Saturn kälter als in den mittleren Breiten. „Diese polaren Temperaturminima sind im Kontext der bestehenden Modelle schwer zu erklären“, sagen die Forscher. „Denn die Aufheizung durch die Aurora-Ströme gilt als Hauptheizungs-Mechanismus der hohen Breiten.“ In den mittleren Breiten dagegen entsprechen die gemessenen Temperaturen in etwa denen der Modelle.

Winde als Energieableiter?

Wie aber ist dies zu erklären? Zum einen scheint der Transport der Polarlicht-Energie von der Polarlichtzone zu den Polen schwächer zu sein als erwartet. „Zusätzlich könnten polare Aufströme für eine zusätzliche adiabatische Kühlung sorgen“, mutmaßen die Forscher. Allerdings seien die Daten nicht ausreichend, um dies zu belegen.

Doch auch die Windbänder, die sich um den Gasplaneten ziehen, scheinen für die polaren Kältezonen eine Rolle zu spielen. Aus den Cassini-Messdaten schließen die Wissenschaftler, dass die Winde in den mittleren und höheren Breiten mit rund 500 bis 800 Metern pro Sekunde westwärts wehen. „Diese zonalen Winde sind langsamer, breiter und reichen bis in geringere Breiten als in den Modellen vorhergesagt“, berichten Brown und ihr Team. Sie könnten demnach die Energie der Polarlichter Richtung Äquator ableiten.

„Modelle müssen revidiert werden“

Nach Ansicht der Forscher liefern die neuen Daten damit erste Hinweise darauf, wo die Energie und Wärme der Saturn-Polarlichter bleiben. „Unser Ergebnisse liefern Belege für eine Umverteilung der Auroren-Energie in niedrigere Breiten – und sie unterstreichen die Bedeutung der atmosphärischen Dynamik für die Temperatur der Thermosphäre“, konstatieren Brown und ihre Team. Wahrscheinlich sind es demnach die Westwinde, die von den Polarlichtern erzeugte Wärme aus den Polarregionen ableiten und bis in gemäßigte Breiten verteilen.

Klar scheint aber auch, dass die gängigen Modelle für die Gashülle des Saturn und ihre Prozesse unvollständig und nicht mehr zutreffend sind. „Unsere Ergebnisse erfordern eine Revision der existierenden Modelle, um die polare Temperaturstruktur vernünftig zu erklären.“, so die Forscher. Die Geheinisse des Saturn sind demnach noch lange nicht gelüftet. (Nature Astronomy, 2020; doi: 10.1038/s41550-020-1060-0)

Quelle: University of Arizona, NASA

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