Unglaubliche Reise: Vor 34 Millionen Jahren überquerte eine kleine Affenart den Atlantik – und gelangte so von Afrika nach Südamerika. Belege für diese Ozeanüberquerung liefern nun vier in Peru gefundene Zähne, wie Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten. Damit sind diese Primaten erst die dritte Gruppe von Landsäugetieren, von der eine solche Atlantikquerung bekannt ist. Vermutlich trieben die Urzeitaffen auf einem Floß aus Pflanzenteilen in die Neue Welt.
Es gibt zwar einige Vögel, die auf ihren Wanderungen ganze Ozeane überqueren – unter den Landtieren sind solche „Fernreisen“ aber eine absolute Seltenheit. Meist schaffen sie es höchstens, kleinere Meerengen durch „Inselhüpfen“ zu überwinden. Auf diese Weise könnten beispielsweise einige Dinosaurier nach Europa und der Homo erectus nach Ostasien gelangt sein.
Doch es gibt einige wenige Landsäugetiere, die selbst größere Ozeanreisen überstanden: Fossilfunde und Genanalysen deute daraufhin, dass die Vorfahren der Meerschweinchenartigen (Caviomorpha) und der Neuweltaffen (Platyrrhini) aus Afrika über den Atlantik nach Südamerika gekommen sein müssen.
Ein afrikanischer Affe in Südamerika
Jetzt haben Paläontologen eine dritte Gruppe solcher tierischen Seefahrer entdeckt. Es handelt sich um kleine Vertreter der Parapitheciden, einer Gruppe ausgestorbener Affen, die vor knapp 50 bis 25 Millionen Jahren in Ägypten vorkamen. Doch wie sich nun zeigt, schafften diese Urzeit-Affen auch den Sprung über den großen Teich. Den Beleg dafür liefern vier rund 23 bis 34 Millionen Jahre alte fossile Zähne, die Erik Seiffert von der University of Southern California in Los Angeles und seine Kollegen an einem Grenzfluss von Peru und Brasilien gefunden haben.
Nähere Analysen ergaben, dass es sich nicht um die Zähne eines Neuweltaffen handelte, wie man angesichts des südamerikanischen Fundorts erwarten würde. Stattdessen gehörte der Ucayalipithecus perdita getaufte Träger dieser Zähne zu den Parapitheciden. Aus einem Vergleich der Zahnmerkmale schließen die Forscher, dass sich die Vorfahren von Ucayalipithecus erst vor rund 35 Millionen Jahren von ihren afrikanischen Verwandten abgespalten haben.
„Dieser Parapithecide liefert uns den bislang überzeugendsten Beleg für eine phylogenetische Verbindung zwischen einem fossilen Säugetier aus Südamerika und einer afro-arabischen Tiergruppe“, sagen die Forscher.
Der dritte tierische Seefahrer
Wie aber kam ein Vertreter dieser afrikanischen Urzeitaffen nach Südamerika? Nach Ansicht von Seiffert und seinem Team gibt es dafür nur eine Erklärung: Die Affen müssen den Atlantik überquert haben. „Das ist eine absolut einzigartige Entdeckung „, sagt Seiffert. „Sie zeigt, dass zusätzlich zu den Neuweltaffen und den Meerschweinchenartigen auch diese dritte Stammeslinie von Säugetieren irgendwie diese unglaubliche transatlantische Reise geschafft haben muss.“
Die Vorfahren des Ucayalipithecus wären damit erst die dritte Säugetiergruppe, von der eine solche Überquerung des Atlantik bekannt ist. Auf Basis ihrer Daten vermuten die Wissenschaftler, dass die etwa pinselaffengroßen Primaten vor rund 34 Millionen Jahren diese Reise antraten. In dieser Zeit am Übergang vom Eozän zum Oligozän begann das antarktische Eisschild gerade zu wachsen und die Meeresspiegel fielen. Dadurch war der Atlantik mit rund 1500 bis 2000 Kilometer Breite etwas schmaler als heute – aber für ein Landsäugetier dennoch eine enorme Barriere.
Floß aus Pflanzenteilen
Wie konnten die Urzeitaffen diese überwunden haben? Die Forscher vermuten, dass die kleinen Primaten auf einer Art Floß aus Pflanzenteilen das Meer überquerten. Möglicherwiese riss ein Sturm die Äffchen damals mitsamt Pflanzenfloß aufs Meer hinaus. Günstige Strömungen und Winde könnten die unfreiwilligen Seefahrer dann bis an die Küste Südamerikas getrieben haben. Trotz dieser Härten überstanden die Affen diese Reise aber und konnten sich dann sogar erfolgreich bis ins Landesinnere des neuen Kontinents ausbreiten.
„Das spricht für ein hohes Maß an Flexibilität im Verhalten dieser Affen“, konstatieren Seiffert und seine Kollegen. Denn die Primaten mussten erst einen tagelangen Wasser- und Futtermangel auf ihrem Floß überstehen. In der neuen Heimat angekommen, waren sie dann gezwungen, sich an eine neue Umgebung und auch ganz neue Futterquellen zu gewöhnen – eine echte Leistung. (Science, 2020; doi: 10.1126/science.aba1135)
Quelle: University of Southern California