Astronomie

Stern bestätigt Einsteins Präzession

Stern am zentralen Schwarzen Loch zeigt rosettenförmige Verlagerung der Umlaufbahn

Orbit-Präzession
Die Umlaufbahnen des Sterns S2 um das zentrale Schwarze Loch der Milchstraße gleichen einer Rosette – genau dies sagt Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie voraus. © ESO/L. Calçada

Einstein behält Recht: Astronomen haben eine weitere Vorhersage der Allgemeinen Relativitätstheorie überprüft – und für gültig befunden. Denn ihre Beobachtungen belegen, dass das Schwarze Loch im Milchstraßenzentrum die Umlaufbahnen eines nahen Sterns verschiebt – sie bilden im Laufe der Zeit eine Rosette. Damit haben die Forscher diese sogenannte Schwarzschild-Präzession erstmals an einem Schwarzen Loch belegt.

Die Allgemeine Relativitätstheorie bildet die Grundlage unseres physikalischen Weltbilds. Obwohl Albert Einstein sie schon vor mehr als 100 Jahren formulierte, haben seine Vorhersagen und Gleichungen bisher jeden Test bestanden. Dies gilt für das Äquivalenzprinzip ebenso wie für die Raumzeit-Krümmung durch Massen oder die Dehnung von Licht und Zeit durch die Gravitation.

Rosette statt Ellipse

Doch es gibt noch etwas, das Einsteins Theorie vorhersagt. Demnach müsste die Schwerkraft eines massereichen Objekts die Raumzeit so krümmen, dass es zu subtilen Verschiebungen in den Umlaufbahnen umkreisender Himmelskörper kommt. „Dieser berühmte Effekt – erstmals bei der Umlaufbahn des Planeten Merkur um die Sonne beobachtet – war der erste Beleg für die Gültigkeit der Allgemeine Relativitätstheorie“, erklärt Reinhard Genzel vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching.

Konkret bedeutet dies: Nach der Keplerschen Himmelsmechanik müsste der elliptische Orbit des Planeten Merkur seinen sonnennächsten Punkt immer an der gleichen Stelle des Raums erreichen. Doch Einsteins Theorie sagt voraus, dass sich dieser Punkt und mit ihm der gesamte Orbit mit jeder Umkreisung ein Stück verlagert. Dadurch ähneln die Umläufe des Merkur langfristig betrachtet einer Rosette – das wurde schon zu Einsteins Zeiten bestätigt.

VLT
Die vier Hauptteleskope des VLT in Aktion – der Laserstrahl dient dem Eichen der adaptiven Optik. © ESO/ S. Brunier

Sternenpassage am Schwarzen Loch

Doch wenn Einsteins Theorie stimmt, dann müsste der gleiche Effekt auch im Umfeld eines Schwarzen Lochs auftreten. Diese sogenannte Schwarzschild-Präzession haben nun Astronomen der GRAVITY-Kollaboration im Zentrum unserer Milchstraße überprüft. Ihr Testobjekt war S2, ein Stern, der das zentrale Schwarze Loch einmal alle 16 Jahre umkreist. Dabei kommt er Sagittarius A* bis auf knapp 20 Milliarden Kilometer nahe – sein Abstand während dieser sogenannten Periapsen entspricht damit nur rund 17 Lichtstunden.

Um die Umlaufbahn dieses Sterns zu rekonstruieren, nutzten die Astronomen fast 30 Jahre zurückreichende Beobachtungsdaten des Very Large Telescope (VLT) in Chile. Die vier Teleskope des VLT lassen sich mittels Interferometrie so zusammenschalten, dass ihre Auflösung der eines 130 Meter großen Einzeltelekops entspricht. Erst dies macht es möglich, die Position von S2 und die Lage seines Orbits mit der benötigten Genauigkeit zu verfolgen.

Fast perfekte Übereinstimmung

Das Ergebnis: Die Umlaufbahn des Sterns S2 verlagert sich pro Umkreisung zwischen 0,196 und 0,272 Grad. Damit zeigt dieser Stern wie von Einstein vorhergesagt eine Schwarzschild-Präzession: Sein Orbit dreht sich im Laufe der Zeit und bildet dadurch eine Rosette. Das beobachtete Ausmaß der Bahnverschiebung stimmt zudem gut mit dem über die Relativitätstheorie ermittelten Wert überein: Dieser liegt bei 0,202, wie die Forscher berichten.

„Damit stehen unsere Ergebnisse in voller Übereinstimmung mit der Allgemeinen Relativitätstheorie“, konstatieren die Astronomen. Ihre Beobachtungen belegen damit erstmals, dass die von Einstein vorhergesagten relativistischen Umlaufbahn-Effekte auch im nahen Umfeld eines supermassereichen Schwarzen Lochs gültig sind.

So „tanzt“ der Stern S2 um das supermassereiche Schwarze Loch.© European Southern Observatory (ESO)

Hinweise auf versteckte „Begleiter“

Interessant auch: Die bei S2 gemessenen Orbit-Präzession liefert auch Informationen darüber, was sich sonst noch in der Nähe des zentralen Schwarzen Lochs verbirgt. „Weil die S2-Messungen der Allgemeinen Relativitätstheorie so gut folgen, können wir strenge Grenzen dafür setzen, wie viel unsichtbares Material, etwa verteilte dunkle Materie oder kleinere Schwarze Löcher, um Sagittarius A* herum vorhanden ist“, erklären die Astronomen der GRAVITY-Kollaboration.

Denn gäbe es dort größere Massenansammlungen, müssten sie Präzession stören. Das aber ist nicht der Fall. Die Forscher schließen daraus, dass ein weiteres Schwarzes Loch maximal 100 Sonnenmassen haben dürfte. Das ist deutlich weniger, als es manche Forscher für einen solchen versteckten Begleiter postulieren. Eine diffuse Gaswolke oder Ansammlung Dunkler Materie dürfte nicht mehr als rund 8.000 Sonnenmassen umfassen.

Bald geht noch mehr

Noch mehr Informationen über Sagittarius A* und seine nahe Umgebung könnten Astronomen ab 2025 mithilfe des Extremely Large Telescope (ELT) der Europäischen Südsternwarte erhalten. Denn dieses zurzeit in Chile gebaute Teleskop hat eine so hohe Auflösung, dass es vielleicht sogar die subtilen Effekte messen kann, die die Rotation des Schwarzen Lochs auf die Orbits naher Sterne hat. Das würde verraten, wie schnell sich Sagittarius A* dreht und auch seine Masse noch weiter eingrenzen.

„Wenn wir Glück haben, könnten wir Sterne so nah am Schwarzen Loch einfangen, dass sie dessen Rotation, den Spin, tatsächlich spüren“, sagt Koautor Andreas Eckart von der Universität Köln. „Das wäre wieder eine ganz andere Stufe der Überprüfung der Relativitätstheorie.“ (Astronomy & Astrophysics, 2020; doi: 10.1051/0004-6361/202037813)

Quelle: European Southern Observatory (ESO), Max-Planck-Institut für Astronomie

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